Rezension: Reynatis (PS5)
Polizistin Sari Nishijima und der Streuner Marin Kirizumi werden in Reynatis in den magischen Kampf im Tokioter Stadtteil Shibuya verwickelt.
Reynatis ist in einer Welt angesiedelt, in der Magie streng überwacht wird. Wer über magische Fähigkeiten verfügt, wird von der Gesellschaft gefürchtet und abgelehnt. Außerdem geraten Magier schnell in den Fokus der Magic Enforcement Administration, kurz M.E.A.. Die Gilde kämpft derweil für die Freiheit der Magier und will dafür sorgen, dass noch mehr Menschen magische Fähigkeiten entwickeln. Sie gelten als oberstes Ziel der M.E.A., während die Droge Rubrum dafür sorgt, dass immer mehr Menschen hoffen selbst Magie wirken zu können, oft aber zu Monstern mutieren. Nach einer Nahtod-Erfahrung hat die Polizistin Sari Nishijima ebenfalls magische Fähigkeiten entwickelt. Deshalb gehört sie mittlerweile der M.E.A. an und stellt sich den freien Magiern, der Gilde und den Monstern entgegen. Student Marin Kirizumi hingegen hat bereits in jungen Jahren magische Fähigkeiten entwickelt, als er einen Vorfall nur knapp überlebte. Statt sich der Gilde anzuschließen, ist Marin ein Streuner, der nur für sich lebt und das Ziel verfolgt, zum stärksten Magier aufzusteigen, um endlich wieder frei zu sein.
Magisches Shibuya
Schauplatz von Reynatis ist Shibuya, ein Stadtteil von Tokio. Hier befindet sich die M.E.A.-Zentrale, in der Sari Nishijima stationiert ist und hier lebt Marin. Abwechselnd darf ich mit den beiden Hauptfiguren die Straßen des nächtlichen Shibuya durchstreifen. Dabei setzt Reynatis auf Kapitel, die jeweils einem der beiden Protagonisten gewidmet sind. Allerdings sind sie nicht alleine unterwegs. Während Sari von ihren Kollegen Kiichiro Ukai und Masayoshi Dogo begleitet wird, findet Marin in den ebenfalls freien Magierinnen Nika Meguro und Noa Fukamachi nach einiger Zeit ebenfalls Unterstützung. Da die beiden Hauptfiguren auf verschiedenen Seiten agieren, gewährt Reynatis einen interessanten Blick aus unterschiedlichen Perspektiven auf die Ereignisse in Shibuya. Lediglich die sowohl für Sari als auch Marin eher zweifelhafte Gilde bleibt lange Zeit geheimnisvoll.
Ähnliches gilt auch für die Geschichte von Reynatis. Gerade in den ersten Stunden folgt das Rollenspiel vorwiegend dem Alltag der beiden Hauptfiguren. Ausschließlich nachts unterwegs gilt es als Sari M.E.A.-Einsätze durchzuführen. Dafür begibt sich die ehemalige Polizistin mit ihren Kollegen auf Patrouille. Marin hingegen folgt einer alten Erzählung, die mit den mysteriösen Nebeltoren, die in Shibuya versteckt sind und sich nur mit dem richtigen Zauber öffnen, zusammenhängt. Diese verspricht dem Studenten Freiheit und in seiner Vorstellung Stärke. Erst nach einiger Zeit entwickelt sich diese Grundlage langsam weiter. Trotzdem versteht es Reynatis durchaus von Anfang an eine interessante Geschichte aufzubauen und für Spannung zu sorgen. Dazu trägt auch das ungewöhnliche Szenario inklusive des nächtlichen Shibuya als Schauplatz bei. Hier profitiert das Rollenspiel von der weitgehend gelungenen Atmosphäre.
Action mit Schwächen
Leider kann Reynatis aber nicht durchgehend überzeugen. So gestaltet sich der Spielablauf teilweise als etwas durchwachsen. Grundsätzlich setzt das Rollenspiel auf einige interessante Ideen. Besonders das actionreiche Kampfsystem ist vielversprechend. Treffen Sari oder Marin auf Gegner beginnt ein mit direkten Schlägen geführter Echtzeitkampf. Neben Standard-Angriffen dürfen auch bis zu zwei Zauber verwendet werden. Das fühlt sich auch dank Lock-on-Funktion ziemlich gut an. Dass manchmal trotzdem die Übersicht verloren geht oder gegnerische Treffer kaum zu vermeiden sind, ist zwar ärgerlich, aber noch akzeptabel. Eine Besonderheit des Kampfsystems sind die beiden Modi, in denen sich die Akteure befinden können.
Agieren Marin, Sari und die anderen aktiv, nutzen sie ihre Magie im sogenannten Liberated Mode. Hier sinkt die magische Kraft dauerhaft und sobald sie aufgebraucht ist oder mittels linker Schultertaste wird in den Suppressed Mode gewechselt. In letzterem sind keine Angriffe möglich dafür regeneriert sich die notwendige Magie. Das klingt zwar interessant kann aber auch zu Leerlauf in den Auseinandersetzungen führen. Hier kann gezieltes Ausweichen jedoch Abhilfe schaffen. Gelingt es mir im richtigen Moment einem Angriff zu entgehen, kann ich nicht nur eine Zeitlupe aktivieren sondern mit ein wenig Geschick auch einen Konter einleiten. Dabei erleidet der Gegner nicht nur Schaden, sondern es wird auch eine ordentliche Menge Magie aufgeladen. Manchmal ist das sogar notwendig, da nur Konter-Angriffe bestimmte Barrieren durchdringen können. Umso ärgerlich ist, dass die Steuerung nicht immer perfekt funktioniert, weshalb gerade das Auslösen des Konters nach erfolgreichem rechtzeitigem Ausweichen misslingt. Das kann nicht nur zu unnötig eingestecktem Schaden, sondern auch für Frust sorgen und trübt das sonst weitgehend gelungene Kampfsystem spürbar. Ebenfalls erwähnt werden sollte, dass der Schwierigkeitsgrad teilweise extrem schwankt, weshalb zwischen zwei Kämpfen die Herausforderung spürbar sein kann. Meist gestalten sich die Auseinandersetzung allerdings als eher einfach.
Nächtliches Shibuya
Abseits von Kämpfen darf ich als Marin oder Sari das in mehrere zusammenhängende Gebiete eingeteilte Shibuya weitgehend frei erkunden. Lediglich manche Bereiche sind je nach Spielfortschritt oder Charakter nicht betretbar. In den nächtlichen Straßen Shibuyas lassen sich Items finden, Gegner antreffen oder Nebenquests erfüllen. Letztere werden über eine App und somit direkt im als Menü dienenden Smartphone der Charaktere angezeigt. Allerdings sollte von den Nebenaufgaben nicht viel erwartet werden. Wirkliche Geschichten werden kaum erzählt und meist ist es nur erforderlich, nacheinander bestimmte Orte aufzusuchen und Gegner zu besiegen. Immerhin winken nützliche und lukrative Belohnungen.
Eine Einschränkung für Marin fällt allerdings spürbar ins Gewicht. Bestreite ich als der freie Magier oder einer seiner Begleiter Kämpfe in Shibuya, fahndet sofort das M.E.A. nach mir. Passanten weichen aus und die Warnstufe steigt. Diese kann als Countdown verstanden werden, da ich automatisch in einen Kampf mit enorm starken M.E.A.-Truppen verwickelt werde, sobald eins erreicht ist. Das ist gerade deshalb nervig, weil Verstecke rar gesät sind und ich deshalb häufig ein Gebiet verlasse und direkt wieder zurückkehre. Gerade wenn auf dem Weg zu einem Ziel Gegner lauern kann das störend auffallen, da ich so zu einem unnötigen Rückzug gezwungen bin. Zwar ist das Fahndungssystem grundsätzlich logisch, schränkt mich aber dermaßen ein und wird zur nervigen Last, so dass hier mehr Feinschliff nötig wäre. Mehr Verstecke oder die Flucht aus einem kleinen Bereich würden hier schon Abhilfe schaffen. Leider nicht der einzige Gameplay-Design-Schnitzer von Reynatis.
Kunstvolle Verbesserung
Da Reynatis ein Rollenspiel ist, ist es kaum verwunderlich, dass die Charaktere in den Kämpfen Erfahrungspunkte erhalten und langsam im Level aufsteigen. Allerdings geschieht das so nebenbei, dass mir Levelaufstiege immer wieder entgangen sind. Zumal ich keinerlei Einfluss auf die Entwicklung der Charaktere habe. Fähigkeitspunkte oder Talentbaum sucht ihr in Reynatis vergebens. Stattdessen setzt das Rollenspiel auf die sogenannten Wizarts, eine Wortkombination aus Wizard und Art. Überall in Shibuya finden sich magische Graffities. Interagiere ich mit diesen erhält die Gruppe Erfahrungspunkte, Geld oder neue Zauber sowie passive Fähigkeiten. Diese darf ich anschließend wechseln oder mit durch Levelaufstiege erhaltenen Punkten verbessern. Vielmehr Charakteranpassung bietet Reynatis allerdings nicht. Auch auf Ausrüstung wird verzichtet. Das ist jedoch nicht negativ, da gerade das Wizart-System durchaus interessant ist. Lediglich das Suchen der Graffities in Shibuya kann in zielloses Umherlaufen und genaues Überprüfen jeder Ecke ausarten. Zumal nicht jedes Wizart sofort eingesammelt werden darf.
Erwähnt werden sollten zudem noch die Dungeons, die mit der Zeit immer regelmäßiger betreten werden. Gerade Marin verfolgt das Ziel die sogenannten Nebelportale zu öffnen, um sein Ziel zu erreichen. Allerdings sollten hier keine abwechslungsreichen, weitläufigen oder komplexen Gebiete erwartet werden. Stattdessen handelt es sich um kleine Bereiche mit Gegnern die durch schlauchige Abschnitte verbunden sind. Nur gelegentlich gibt es Abzweigungen, die jedoch meist schnell in einer Sackgasse enden. Immerhin finden sich hier immer wertvolle Items. Wirklich zum Erkunden laden die Dungeons allerdings nicht ein und ihr Aufbau wirkt trotz optischer Unterschiede schon nach kurzer Zeit dröge.
Veraltet mit Lichtblicken
Grafisch ist Reynatis veraltet. Anders lässt es sich kaum bezeichnen. Zwar weiß das nächtliche Shibuya mit schicken Lichteffekten und einer stimmungsvollen Gestaltung zu gefallen, doch hier täuscht die Dunkelheit über die offensichtlichen Schwächen hinweg. Deutlich wird das in den helleren Dungeons. Matschige Texturen, fehlende Details und kantige Objekte hinterlassen einen schwachen Eindruck. Das gilt auch für die in Spielgrafik gehaltenen Zwischensequenzen. Besonders die Charaktermodelle erinnern hier eher an PlayStation-2- als an PlayStation-3-Zeiten. Das ist angesichts der an sich gelungenen Charakterdesigns umso bedauerlicher. Allerdings schadet die optische Schwäche dem grundsätzlichen Spielgefühl nur selten. Lediglich die Atmosphäre leidet regelmäßig darunter. Besonders wenn ernste Szenen aufgrund der nicht vorhandenen Mimik und seltsam aussehenden Gesichter eher lustig wirken.
Anders sieht es mit den etwas aufwändiger gestalteten Video-Zwischensequenzen aus. Die leider viel zu seltenen Momente lassen die Charaktere im Vergleich erstrahlen und zeigen, wie schick Sari, Marin und die anderen gestaltet sind. Ähnliches gilt für die Gameplay-Szenen. Zwar besticht Reynatis nicht mit einer modernen Optik, dennoch wissen die Charaktermodelle weitgehend zu überzeugen. Etwas, das für Passanten oder Gegner leider nicht gilt. Wirklich negative Auswirkungen hat das aber glücklicherweise nicht, da Reynatis durchgehend flüssig läuft, keine Bugs aufgetreten sind und die Grafik den Spielablauf nicht beeinträchtigt. Zudem weiß der Soundtrack zu überzeugen und sorgt für die richtige Stimmung, wovon die gelungene Atmosphäre profitiert. Etwas bedauerlich ist, dass keine deutsche Übersetzung vorliegt. Die englischen Texte sind aber gelungen und die japanische Sprachausgabe weiß ebenfalls zu überzeugen. Damit ist Reynatis ein eher mittelmäßiges Rollenspiel, das viel Potenzial verschenkt, aber trotzdem zu unterhalten weiß.
Fazit
Selten ist es mir so schwer gefallen ein Spiel zu bewerten wie bei Reynatis. Einerseits zeigt das Rollenspiel zahlreiche Schwächen wie eine altbackene Grafik, Gameplay-Mängel oder fragwürdige Spieldesign-Entscheidungen; andererseits fesselt mich Reynatis mit einem ungewöhnlichen Szenario, einer interessanten Geschichte, zwei verschiedenen Perspektiven und gelungenen Charakteren. Es ist bedauerlich, wie viel Potenzial Reynatis verschenkt, da das Rollenspiel mit ein wenig mehr Feinschliff ein Genre-Geheimtipp wäre. Hier ist nicht einmal die angestaubte Optik maßgeblich, sondern vielmehr die vorhandenen Gameplay-Schwächen. Trotzdem habe ich Reynatis gerne gespielt und war gespannt, wie sich die Geschichte entwickelt. Fans japanischer Rollenspiele, die sich an einer nicht zeitgemäßen Grafik sowie spielerischen Schwächen nicht stören, sollten Reynatis zumindest anspielen. Alleine aufgrund des Szenarios und der Geschichte ist Reynatis einen Blick wert.
Kurzfazit: Durchwachsenes Rollenspiel, das trotz Schwächen und ungenutztem Potenzial mit interessantem Szenario, spannender Geschichte und gelungenen Charakteren überzeugen kann, aber nicht jedem gefallen wird.
Vielen Dank an NIS America für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Reynatis!
Details
Titel: Reynatis
Genre: Action-Rollenspiel
Publisher: NIS America
Entwickler: Natsume Atari, FuRyu
Spieler: 1
Syteme: PlayStation 5 (getestet), PlayStation 4, Switch, PC
Altersfreigabe: ab 12
Erscheinungsdatum: 27. September 2024