Rezension: Drova – Forsaken Kin (PC)

Eine vermeintlich paradiesische Welt, stellt sich im Action-Rollenspiel Drova – Forsaken Kin als tödlich, rau und düster heraus.

Drova – Forsaken Kin ist das Debütwerk des deutschen Sechs-Personen-Studios Just2D. Das in schicker Pixel-Optik gehaltene und aus der isometrischen Draufsicht gespielte Action-Rollenspiel, hat mich schon im Prolog mit einer vielversprechenden Geschichte gepackt und anschließend mit einer offenen, gefährlichen und interessanten Spielwelt endgültig in seinen Bann gezogen. Dabei erinnert Drova an eine 2D-Version von Piranha Bytes’ Gothic. Die titelgebende Spielwelt ist genauso dreckig und hart wie in dem Rollenspiel-Klassiker und auch die Dialoge sind so kantig und derb wie ich es von Gothic kenne. Der Vergleich mit dem offensichtlichen Vorbild zieht sich durch die gesamte Spielzeit, ohne dass es Drova dabei jedoch an eigener Identität fehlen würde. Vielmehr ist Drova gleichzeitig offensichtlich von Gothic beeinflusst, eine Hommage an das Piranha Bytes’ Rollenspiel und ein eigenständiges, großartiges Erstlingswerk für ein kleines Indie-Studio.

Lebensfeindliches Paradies

Nachdem ich mir in einem rudimentären Editor einen eigenen Charakter erstellt habe, leitet Drova – Forsaken Kin die Geschichte mit einer kurzen, gezeichneten Zwischensequenz und deutscher Vertonung ein. Anschließend finde ich mich in einem düsteren Wald wieder und soll zwei Druiden aus meinem Dorf verfolgen. Der Fund eines geheimnisvollen roten Kristalls hat für Aufruhr unter den Druiden gesorgt und sie glauben, dass dieser einen Weg ins legendäre Paradies öffnen könnte. Das Ritual geht schief und letztlich schaffe ich es als einziger überlebender in die vermeintlich wunderschöne Welt, nur um festzustellen, dass ich in einem regelrechten Dreckloch, in dem hinter jedem Busch und jeder Ecke der Tod warten könnte, gelandet bin. Aber ich habe noch den Kristall und soll diesen nach Nemeton, der größten Siedlung von Drova, bringen.

Mit nicht mehr als ein paar Fetzen bekleidet, beginne ich die handgebaute Spielwelt zu erkunden und sammle alles ein, was mir irgendwie helfen könnte. Ein Ast dient mir als erste Waffe, in einem Beutel finde ich ein paar Münzen und Pflanzen dienen mir zur Heilung. Schon bald treffe ich einen ersten Bewohner, gelange in ein Holzfällerlager und erfülle typisch Rollenspiel erste Aufträge. Diese gestalten sich anfangs noch simpel. So soll ich Arbeiter für die Reparatur der Brücke zusammentreiben, eine vermisste Jägerin finden oder einen Essensdieb schnappen. Glücklicherweise sind die Ziele direkt im oder in der Nähe des Lagers zu finden, denn die Wildnis ist tödlich. Gerade zu Beginn sollte ich mich nicht zu weit von den zumindest halbwegs sicheren Straßen entfernen. Treffe ich trotzdem auf Gegner, heißt es schnell abwägen, ob ich eine Chance habe oder lieber fliehen sollte. Vor allem mehrere Feinde, zu denen wilde Tiere genauso wie Banditen gehören, sind eine Herausforderung und ich segne schneller das Zeitliche als mir lieb ist.

Gefahrvolle Erkundung

Hier zeigt sich auch erstmals, dass die Gegner nicht mitleveln. Das bedeutet, in der Spielwelt können überstarke Feinde lauern, gegen die ich nicht den Hauch einer Chance habe. Gleichzeitig besiege ich anfangs herausfordernde Bestien wie Reißer oder Blutfliegen nach einigen Levelaufstiegen und mit besserer Ausrüstung schon mit einem Treffer. Dadurch fühle ich meine Entwicklung deutlich, was maßgeblich zur Motivation beiträgt. Allerdings ist Drova recht behäbig und hölzern. Hinweise oder Hilfen bietet das Rollenspiel kaum. So wird auf Questmarker genauso wie auf einen Kompass verzichtet. Selbst die Karte dient eher als rudimentäre Orientierungshilfe, zeigt aber immerhin meine Position an und ermöglicht es mir Markierungen zu setzen – zumindest wenn ich Tinte habe. Das ist auch zwingend notwendig, da ich regelmäßig etwas entdecke, das ich aufgrund der tödlichen Gefahren noch nicht erkunden kann. Wie soll ich schließlich eine Ruine voller Harpyien erkunden, wenn diese mich mit ein, zwei Treffern töten? Also kehre ich später hierher zurück.

Vorher lerne ich weiter die Spielwelt kennen, treffe bald auf die erste der beiden Fraktionen im Spiel und erhalte weitere Quests. Moment, Fraktionen? Ja, genau, wieder etwas, das an Gothic erinnert. Neben dem elitären und reichen Nemeton haben sich einige Bewohner im Ruinenlager zusammengeschlossen. Während Nemeton das Land in das versprochene Paradies verwandeln will, suchen die Menschen des Ruinenlagers nach einem Ausweg aus dem Gefängnis, als das sie Drova wahrnehmen. Mit erfüllten Aufträgen, erarbeite ich mir einen Ruf bei beiden Fraktionen und schließe mich einer von ihnen an. Das hat Einfluss auf den Verlauf der Geschichte und die Quests, die ich erhalte, was den Wiederspielwert erhöht. Auch erhalte ich je nach Fraktion unterschiedliche Ausrüstung und treffe auf andere gut geschriebene, sehr eigenständige Charaktere, die selbst in der Pixel-Grafik individuelle Eigenheiten aufweisen. Vor allem sind es aber die kantigen Dialoge, die die Persönlichkeiten der Figuren bestimmen. In Drova wird geflucht und beleidigt, ohne dass sich jemand zurückhalten würde. Außerdem reagieren die Bewohner auf mich, weshalb ich beispielsweise Häuser nicht einfach betreten und mich schon gar nicht beim Diebstahl erwischen lassen sollte. Schließlich will ich keinen Ärger und Kämpfe gegen so manchen Nicht-Spieler-Charakter sind gerade zu Beginn aussichtslos.

Erlernte Stärke

Um stärker zu werden, stelle ich mich den gelungenen actionreichen Kämpfen. Diese steuern sich sowohl mit Maus und Tastatur als auch mit Controller wirklich gut und eingängig. Schon nach kurzer Eingewöhnungszeit reihe ich Angriffe, Ausweichrollen, Blocks und Spezialangriffe aneinander. Wichtig ist, mein Verhalten an jeden Gegner anzupassen, da jeder Feind eigene Verhaltensmuster hat. Reicht es bei manchen Bestien, nur schnell Attacken auszuweichen, greifen andere Widersacher bei entsprechender Entfernung einfach mit Fernkampfwaffen an. Diese kann ich neben Schwert, Axt, Dolchen und Speer ebenfalls einsetzen. Zudem entdecke ich mit der Zeit Zauberspruchrollen, die mich einmalig mächtige Magie einsetzen lassen. Dauerhafte Zauber kann ich erst spät wirken, weshalb eine reine Magier-Spielweise nicht möglich ist. Das ist aber nicht schlimm, da Drova mir auch so ausreichend Abwechslung bei den Waffen bietet.

Bei jedem Levelaufstieg erhalte ich Lernpunkte, die ich wiederum zur Verbesserung der Attribute Stärke, Geschick und Geist sowie zum Erlernen neuer Talente einsetzen kann. Allerdings geht das nicht einfach so. Stattdessen muss ich erst jemanden finden, der mich unterrichtet und mir neue Fähigkeiten beibringt. Und ja, auch das kennen Rollenspiel-Fans aus Gothic. Die Lehrmeister-Mechanik fügt sich wirklich gut in Drova ein und sorgt dafür, dass sich Levelaufstiege zwar spürbar auswirken, ich jedoch auch noch tätig werden muss. Da meine Lernpunkte begrenzt sind, muss ich gut überlegen, ob ich stärker oder geschickter werden will oder ob ich lieber ein teures neues Talent lerne. Neben passiven Kampffertigkeiten und Spezialangriffen gehört dazu auch Nützliches wie das Ausnehmen von Tieren, Felle abzuziehen oder das Knacken von komplizierten Schlössern. Gerade um an Geld und Ausrüstung zu gelangen, sind diese Talente essenziell.

Motivierender Überlebenskampf

Die Gameplay-Spirale aus actionreichen Kämpfen, weitläufiger Spielwelt, gefahrvoller Erkundung, abwechslungsreicher Haupt- und Nebenquests sowie spannender Geschichte, sorgt dafür, dass ich mich für Stunden in Drova verliere. Es ist einfach überaus motivierend, immer wieder etwas Neues zu entdecken, Rätsel zu lösen, Geheimnisse zu lüften, Aufgaben zu erfüllen und stetig stärker zu werden. Allerdings ist das Action-Rollenspiel dabei sehr behäbig und eigenwillig. Gerade Genre-Neulinge könnten sich an den fehlenden Hilfen stören. Zumal es durchaus möglich ist, sich in der Spielwelt zu verlaufen oder aufgrund von Gebäuden, Felsen, Bäumen und dergleichen Objekte oder gar Höhleneingänge zu übersehen.

Drova – Forsaken Kin nimmt mich nicht an die Hand, sondern wirft mich in eine tödliche Welt und fordert mich dazu auf, selbst herauszufinden, wie ich überlebe. Das kann wirklich spaßig sein und gerade Gothic-Fans sollten dem in schicker, stimmungsvoller Pixel-Grafik gehaltenen Action-Rollenspiel eine Chance geben. Gleichzeitig kann es aber auch frustrieren, wenn ich beim Erkunden kaum ein paar Meter weit komme, bevor ich feststelle, dass die hier lauernden Gegner zu stark sind. Das gehört natürlich zur Spielerfahrung dazu, doch etwas mehr optionale Hilfen abseits der möglichen Schwierigkeitsgrad-Einstellungen im leichteren Entdecker-Modus wären schön gewesen. Wer sich aber auf Drova – Forsaken Kin einlässt, erhält ein atmosphärisches, forderndes und eigenständiges 2D-Pixel-Action-Rollenspiel, das für gut dreißig bis vierzig Stunden beschäftigt. Aufmerksamkeit hat das Erstlingswerk von Just2D definitiv verdient.

Fazit

Drova – Forsaken Kin wäre fast an mir vorbei gegangen. Nur durch eine Pressemitteilung habe ich von der bevorstehenden Veröffentlichung des Action-Rollenspiels erfahren und bin nun umso glücklicher darüber. Als alter Gothic-Fan habe ich mich schnell in der düsteren 2D-Pixel-Welt verloren und versucht den tödlichen Gefahren zu trotzen. Dabei versteht es das Action-Rollenspiel mich mit viel eigener Identität, motivierendem Gameplay, spannender Geschichte, gut geschriebenen Charakteren und Dialogen sowie erkundungsfreudiger, handgebauter Spielwelt zu fesseln. An jeder Ecke könnte etwas Tödliches lauern, doch ich werde mit der Zeit immer stärker, steige im Level auf, lerne neue Talente, erhalte bessere Ausrüstung und kann irgendwann auch anfangs fast unbezwingbare Gegner mit Leichtigkeit töten. Gleichzeitig versteht es die dreckige, harte und düstere Atmosphäre mich immer wieder aufs Neue in die Spielwelt zu ziehen, so dass ich oft länger gespielt habe, als geplant. Dank zwei Fraktionen bietet Drova sogar etwas Wiederspielwert, auch wenn wirklich große Entscheidungen selten sind. Am hohen Spielspaß ändert das aber nichts. Rollenspiel-Fans, die sich auf den Überlebenskampf einlassen können und sich an mangelnden Spielhilfen nicht stören, sollten sich Drova nicht entgehen lassen. Das gilt besonders für alle Gothic-Fans, die kein Problem mit der 2D-Pixel-Grafik haben.

Kurzfazit: Fantastisches Action-Rollenspiel in düster-dreckigem Fantasy-Mythologie-Setting, das ein fesselndes Abenteuer mit motivierendem Gameplay bietet.

Vielen Dank an Deck13 & Just2D für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Drova – Forsaken Kin!