Rezension: Pentiment (Xbox Series X)
Künstler Andreas Maler versucht in Pentiment im Oberbayern des sechzehnten Jahrhunderts einen Mord aufzuklären.
Star Wars: Knights of the Old Republic 2: The Sith Lords, Fallout: New Vergas, Pillars of Eternity – die Liste der namhaften Spiele von Obsidian Entertainment ist lang. Mit Pentiment hat sich ein kleines Team um Director Josh Sawyer des kalifornischen Studios an ein ungewöhnliches Adventure gewagt. Optisch an Buchmalerei aus dem Mittelalter angelehnt, ist Pentiment im Jahr 1518 im fiktiven oberbayerischen Dorf Tassing angesiedelt. Dort arbeitet der junge Wanderkünstler Andreas Maler für das örtliche Kloster Kiersau und versucht parallel sein Meisterstück fertigzustellen, um eine eigene Werkstatt in seiner Heimatstadt Nürnberg zu eröffnen. Der friedliche und hinter den bereits einhaltenden Neuerungen der Geschichte zurückbleibende Ort wird jedoch bald vom Mord an einer wichtigen Persönlichkeit erschüttert. Ausgerechnet eine Andreas nahestehende Person wird als Täter beschuldigt. Es ist an uns als Andreas Beweise zu sammeln, um die Wahrheit hinter dem Verbrechen aufzuklären.
Mittelalterlicher Krimi
Pentiment erzählt keine geradlinige Geschichte. Fast jeder Dialog ist mit Entscheidungen gespickt, die teilweise erst deutlich später ihre Auswirkung zeigen. Das liegt auch an der Aufteilung des Spiels in drei Akte und den damit einhergehenden Fortschritten der Handlung. Wir wollen hier aber nicht zu viel verraten, deshalb sei nur erwähnt, dass jede Aussage von Andreas später Folgen haben kann. Regelmäßig erhalten wir den Hinweis, dass eine Dialogoption, für die wir uns entschieden haben, in Erinnerung bleiben wird. Das bedeutet, dass sich unsere Gesprächspartner merken, wie wir mit ihnen interagiert haben. Waren wir freundlich oder haben wir gelogen? Später kann das noch entscheidend werden. Zudem können wir auch nicht sicher sein, ob wir letztlich zu einer korrekten Schlussfolgerung gelangen und nicht vielleicht die falsche Person beschuldigen und somit zum Tode verurteilen. Hier bleibt Pentiment bewusst ungenau. Ob das zufriedenstellt, ist Ansichtssache, kann die Spannung der Geschichte aber deutlich erhöhen.
Bevor wir mit dem Mord konfrontiert werden, lernen wir Tassing, das Kloster Kiersau und deren Bewohner zumindest ein wenig kennen. Außerdem dürfen wir Andreas’ Vergangenheit und Wissen festlegen. Sehr gut in Gespräche eingebunden, entscheiden wir uns, wo Andreas seine Wanderjahre verbracht oder was er studiert hat. Was eher simpel klingt, hat großen Einfluss auf unsere Möglichkeiten. Hat Andreas etwa in Italien gelebt, spricht er Italienisch und etwas Griechisch. War Andreas hingegen in Basel, beherrscht er Italienisch und Französisch. Auch die Lebenseinstellung von Andreas kann neue Dialogoptionen eröffnen. Sein Studium hingegen birgt wichtiges Wissen, das uns in manchen Situationen weiterhelfen kann. Ist Andreas in Rhetorik bewandert, hat er Medizin studiert oder sich mit Okkultismus beschäftigt? Die Möglichkeiten sind vielfältig und deutlich spürbar.
Dialoglastige Entscheidungen
Allerdings setzt Pentiment als Adventure gar nicht so sehr, wie vom Genre vielleicht erwartet, auf Rätsel. Es gibt zwar ein paar kleinere Knobeleien und Minispiele, diese fallen meist eher simpel aus, können aber von Andreas’ Wissen beeinflusst werden. Weitaus stärker im Mittelpunkt des Gameplays stehen die Dialoge und Interaktionen mit den Menschen aus Tassing und dem Kloster Kiersau. Dabei unterliegt der Spielablauf einem strikten Tagesablauf, der uns in unserer Freiheit spürbar einschränkt. Oft müssen wir uns entscheiden, welchem Hinweis wir nachgehen wollen, da unsere Zeit nicht ausreicht, um alle Spuren zu verfolgen. Auch gelegentliche Arbeiten und dergleichen, kosten Zeit und sorgen dafür, dass wir überlegt vorgehen sollten. Umso wichtiger ist es, dass die Figuren in Pentiment glaubhaft geschrieben sind. Nur selten fühlen sich wenige der sehr guten deutschen Texte unnötig oder unpassend an. An der stimmungsvollen Mittelalter-Atmosphäre ändert das aber nichts.
Zu verdanken ist das der Konsequenz mit der Pentiment sein Szenario umsetzt. Das beginnt beim Buchmalerei-2,5D-Grafikstil, der trotz ausgesparter Details und reduzierter Animationen zum Spiel passt. Außerdem trägt die stilisierte Schrift maßgeblich zu Mittelalterstimmung bei. Je nach Stand einer Person, werden deren Texte in einer anderen Schriftart geschrieben. Doch keine Sorge. Habt ihr Probleme die verschnörkelten Buchstaben zu lesen, könnt ihr jederzeit auf eine vereinfachte Textdarstellung wechseln. Das ist gerade aufgrund der Textflut wirklich wichtig, da Pentiment mit der Zeit durchaus anstrengend sein kann. Wir lesen sehr viel. Auf eine Vertonung wurde zudem verzichtet. Stattdessen werden die Dialoge vom Kratzen eines Federkiels mit dem die Sprechblasen gefüllt werden, untermalt. Abgerundet wird das Mittelalterszenario von den ernsten, zur Zeit passenden Themen und Ereignissen. Pentiment schreckt nicht davor zurück, die Härte des damaligen Lebens zu inszenieren und selbst bedrückende Ereignisse anzusprechen. Dennoch verzichtet das Adventure nicht auf Humor, der oftmals auf Sarkasmus und Zynismus setzt.
Vor allem Andreas’ Gedankenpalast, in den er gelegentlich eintaucht, um mit seinen sehr unterschiedlichen inneren Stimmen zu beratschlagen, hat uns regelmäßig zum Schmunzeln gebracht. Bedauerlich, dass dieses Spielelement zu selten genutzt wird. Dabei sind die Gespräche durchaus hilfreich, auch wenn die endgültige Entscheidung immer noch uns überlassen ist – und das ist oft schwerer als wir dachten. Gerade wenn wir verinnerlicht haben, wie relevant unsere Aussagen sind, überlegen wir nicht nur ein zweites, sondern auch mal ein drittes oder viertes Mal, wie wir antworten. Dank eines internen Glossars können wir zudem immer mittelalterliche, religiöse oder künstlerische Begriffe nachschlagen. Anfangs kann das etwas störend sein, mit der Zeit verinnerlichen wir aber die wichtigsten Wörter. Gesammelte Hinweise können wir in unserem Notizbuch nachschlagen. Leider sind die Texte nicht immer vollständig, was gerade nach einer längeren Pause störend auffällt. Allerdings sind das kleine negative Kritikpunkte, die kaum am sonst erstklassigen Spielgefühl von Pentiment ruckeln. Besonders bei der Geschichte gehört das Adventure von Obisdian Entertainment zu den besten Spielen des Jahres, wird aber mit seinem ungewöhnlichen Grafikstil und dem teilweise zähen Gameplay nicht jedem gefallen.
Fazit
Pentiment hat schon bei der Ankündigung meine Neugier geweckt. Der Buchmalerei-Grafikstil, die mittelalterliche Krimi-Geschichte und Obsidian Entertainment als Studio klangen für mich sofort vielversprechend. Das Adventure hat mich dann auch schnell in seinen Bann gezogen. Die Ermittlungen im Mordfall sind spannend erzählt und dank zahlreicher Entscheidungen, kann ich mir nie sicher sein, wie sich meine Antworten auswirken oder in welche Richtung sich die Geschichte bewegt. Habe ich den richtigen Täter beschuldigt? Hegt ein Dorfbewohner aufgrund meiner Lüge einen Groll gegen mich? Hat meine Aussage viel später noch eine bedeutende Auswirkung? Nie kann ich mir dessen sicher sein, was nicht nur die Spannung erhöht, sondern auch den Wiederspielwert. Dieser wird ebenfalls vom strikten Tagesablauf und den sich daraus ergebenden Einschränkungen sowie der Festlegung von Andreas’ Vergangenheit erhöht. Pentiment ist eindeutig ein Adventure-Juwel, das besonders mit der spannenden Geschichte überzeugt. Allerdings wird der Titel nicht jeden überzeugen. Vom Grafikstil über das reduzierte Gameplay bis hin zur bewusst ungenauen Auflösung der Geschichte, birgt Pentiment zahlreiche Hindernisse, um ein breites Publikum anzusprechen. Verdient hätte es das Adventure aber, weshalb ich Pentiment nur empfehlen kann. Dank Microsofts Game Pass kann der Mittelalter-Krimi sogar ohne jegliche zusätzliche Kosten (außer den Abo-Gebühren) gespielt werden. Eine Chance solltet ihr Pentiment definitiv geben.
Kurzfazit: Spannendes und ungewöhnliches Adventure, das eine wendungsreiche Mittelalter-Krimi-Geschichte mit schwerwiegenden Entscheidungen in individuellem Grafikstil erzählt. Ein Genre-Geheimtipp.
Vielen Dank an Microsoft für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Pentiment!
Details
Titel: Pentiment
Genre: Adventure
Publisher: Xbox Game Studios
Entwickler: Obsidian Entertainment
Spieler: 1
Syteme: Xbox Series X|S (getestet), Xbox One, PC
Altersfreigabe: ab 12
Erscheinungsdatum: 15. November 2022
© Obsidian Entertainment / Microsoft / Xbox Game Studios