Rezension: Cyberpunk 2077 (PS5)
Als Söldnerin oder Söldner V gilt es, in Cyberpunk 2077 in der düsteren Megametropole Night City zu überleben.
Nach acht Jahren Wartezeit und einem riesigen Hype, erschien CD Projekt Reds First-Person-Rollenspiel Cyberpunk 2077 im Dezember 2020 in einem zweifelhaften Zustand. Besonders die Versionen für PlayStation 4 und Xbox One waren technisch deutlich unter den Erwartungen. Dazu gesellten sich zahlreiche Bugs, unausgegorene Spielmechaniken und andere Probleme. Mittlerweile sind nicht nur mehrere Patches erschienen, sondern auch die Next-Gen-Upgrades für PlayStation 5 und Xbox Series S|X die es ermöglichen, Cyberpunk 2077 in der bisher besten Konsolen-Variante zu erleben.
Atmosphärische Zukunftsvision
Gleich vorweg sei gesagt: Cyberpunk 2077 auf der PlayStation 5 ist endlich fast genau das Rollenspiel das wir uns erhofft haben. Sicher, es finden sich noch immer ein paar Bugs und technische Fehler, dafür ist das Spiel mittlerweile in einem guten Zustand und sieht zudem wirklich schick aus. Night City ist nicht nur eine der besten, glaubhaftesten und lebendigsten Spielwelten, die wir bisher erlebt haben, die Megametropole strotzt auch noch vor zahlreichen Details. Es ist an uns, die riesige Stadt zu erkunden, an jeder Ecke etwas zu entdecken und dabei auch Gebäude zu betreten oder in den Untergrund hinabzusteigen. Selbst in den Gebieten vor Night City gibt es reichlich zu erleben. Selten hat uns eine offene Welt so in ihren Bann gezogen wie in Cyberpunk 2077.
Zu verdanken ist das neben der Spielwelt selbst auch der erstklassig erzählten, spannenden Geschichte. Wir wollen an dieser Stelle nicht zu sehr auf die Handlung eingehen, um Spoiler zu vermeiden. Bevor wir beginnen dürfen wir uns in einem Charaktereditor austoben. Männlicher oder weiblicher Körper, Geschlechtsteile, Brustwarzen, Gesicht und vieles mehr dürfen wir selbst festlegen. Damit bietet uns CD Projekt Red viel Freiheit, die sogar Einfluss auf die Romanzen hat, die wir im Rollenspiel eingehen können. Neben unserem Aussehen, müssen wir auch Vs Herkunft festlegen. Street Kid, Nomad oder Konzerner beeinflussen aber hauptsächlich den Spielbeginn, einige Dialogoptionen und selten kleinere Gameplay-Momente. Großen Einfluss auf die Geschichte oder die Enden hat unsere Herkunft leider nicht. Als wirklich negativ haben wir das aber nicht empfunden.
Schließlich bietet Cyberpunk 2077 auch so eine packende Handlung, die voller Entscheidungsmöglichkeiten steckt. Immer wieder werden wir im Laufe der Geschichte, die etwas braucht um in Fahrt zu kommen, ohne zuvor langweilig zu sein, vor moralische Entscheidungen gestellt. Diese sind so gut inszeniert, dass wir uns nicht selten fragen, ob wir wirklich richtig gehandelt haben. Und dabei geht es nicht um gut oder böse, sondern unsere persönliche Einstellung. Cyberpunk 2077 bietet eine angenehme Grauzeichnung und eine Welt in der nicht immer eindeutig ist, was denn nun richtig oder falsch ist. Damit zeichnet das Rollenspiel eine glaubhafte Realität, die sich auch in der Geschichte, den nicht weniger grandios geschriebenen Nebenquests und individuellen Charakteren widerspiegelt. Hier zeigt CD Projekt Red wieder, die größte stärke des Studios: herausragende Geschichten, Figuren und Welten.
Freies Vorgehen
Beim Gameplay überzeugt Cyberpunk 2077 nicht ganz so eindeutig, bietet aber das wohl wichtigste: großen Spielspaß. Aus der First-Person-Perspektive erkunden wir Night City und stellen uns regelmäßig Gegnern entgegen. Ein so gutes Kampfgefühl wie beispielsweise in Ego-Shootern oder auf Nahkampf aufgerichteten Titeln solltet ihr aber nicht erwarten. Vielmehr fühlen sich die Kämpfe funktional und ordentlich an. Zumal im Hintergrund immer ein Rollenspielsystem läuft und Werte abgleicht und über Schaden und Effekte entscheiden. Das führt dazu, dass selbst Kopfschüsse nicht zwingend tödlich sind. Etwas, woran wir uns erst gewöhnen mussten. Haben wir uns aber erst einmal damit arrangiert, dann sind die Auseinandersetzungen angenehm kurzweilig und zumindest auf den höheren Schwierigkeitsgraden auch angemessen fordernd. Nur auf intelligente Gegner solltet ihr nicht hoffen. Selbst nach mehreren Patches und Next-Gen-Upgrade haben viele unserer Kontrahenten zu oft reichlich dumm agiert und sind uns beispielsweise ziellos und ohne Deckung vor die Flinte gerannt oder haben viel zu spät bemerkt, dass wir sie angreifen. Auch hier gilt: die Gegner-Intelligenz ist funktional und ausreichend, um den Spielspaß zu unterstützen.
Weitaus wichtiger für uns ist, dass wir oft frei entscheiden können wie wir vorgehen. Das bedeutet, wir müssen uns nicht immer wild ballernd einen Weg bahnen. Oft können wir auch nach alternativen Routen suchen, schleichend vorgehen und sogar komplett gewaltfreie Lösungen für Questziele finden. Gerade das sorgt dafür, dass sich die Spielwelt noch glaubhafter anfühlt und wir noch größere Freiheit genießen. Schließlich sind wir V und es liegt an uns, zu entscheiden, wie wir sein wollen. Das gilt im Übrigen auch für die Lösung von ganzen Questreihen oder unsere Beziehung zu manchen Charakteren. Mit einigen dürfen wir, abhängig davon wie wir unseren oder unsere V gestaltet haben, auch Romanzen eingehen. Diese sind jedoch nicht stumpfsinnig, sondern zeigen Tiefe und gehen über simple Höhepunkte hinaus. Erneut profitieren Atmosphäre, Glaubhaftigkeit und Spielwelt davon.
Viele Möglichkeiten zur Anpassung
Nicht ganz so überzeugt hat uns hingegen das Level-System von Cyberpunk 2077. Klassisch steigen wir mittels Erfahrungspunkten auf, investieren verdiente Skillpunkte in unsere Attribute und dazugehörige Fähigkeitenbäume. Dadurch werden wir stärker und können uns, auch unterstützt von unserer Spielweise, in bestimmte Richtungen spezialisieren. Es ist uns überlassen, ob wir einen schleichenden Techexperten oder einen kampferprobten Hacker erschaffen wollen. So frei das System auch ist, so unbefriedigend fühlen sich Levelaufstiege zu Beginn an. Gerade, weil einige der interessantesten Fertigkeiten erst spät in den Skilltrees verborgen liegen, haben wir uns in der ersten Spielhälfte immer wieder dabei erwischt, dass wir noch verfügbare Punkte nicht investiert haben, weil wir es einfach vergessen haben. Zwar sind die vorherigen Verbesserungen auch praktisch, haben uns aber zu wenig gereizt um daran zu denken. Nichts desto trotz funktioniert das Level-System natürlich einwandfrei und Level-Aufstiege sind weiterhin motivierend.
Etwas anders sieht es bei der Ausrüstung aus. Oft haben wir uns gefreut, wenn neue Jacken, Hosen oder Waffen in unser Inventar gewandert sind. Selbst die Tatsache, dass wir vieles doppelt, dreifach oder noch öfter gefunden haben und viel zu selten wirklich bessere Kleidung verfügbar war, hat die Loot-Spirale ausreichend motiviert, um uns bei Laune zu halten. Dazu beigetragen hat auch, dass wir Unbrauchbares verkaufen konnten. Das zusätzliche Geld haben wir anschließend entweder in bessere Ausrüstung oder in unsere Cyberware investiert. Letzteres sind körperliche Verbesserungen für V, wie beispielsweise ein neues Skelett, härtere Hände oder mechanische Organe, die uns neue oder verbesserte Fähigkeiten gewähren. So können wir unsere Tragekapazität erhöhen oder mehr Schaden einstecken. Leider sind die Augmentierungen viel zu teuer, um wirklich häufig zu motivieren, ein willkommener kleiner Zusatz ist Cyberware aber trotzdem. Besonders weil uns hier wieder mehr Freiheit bei der Gestaltung und Verbesserung unseres Charakters geboten wird.
Lebendig und glaubhaft mit Macken
Widmen wir uns zum Ende noch einmal der Technik. Wie angesprochen, ist Cyberpunk 2077 auf der PlayStation 5 ein wesentlich besseres Spiel als noch zum Release im Dezember 2020 auf PS4 und Xbox One. Das Rollenspiel sieht trotz grafischer Mängel wie gelegentlichen matschigen Texturen, plötzlich auftauchenden Gegenständen oder Details, seltenen Rucklern, nicht immer gelungenen Animationen oder weiterhin vorhandenen grafischen Bugs, einfach schön aus. Night City lebt nicht nur von der Inszenierung, der Geschichte, den ernsten Themen und den großartigen Charakteren, sondern auch von der stilsicheren und stimmungsvollen Optik. Und genau hierbei kann Cyberpunk 2077 auf der PS5 restlos überzeugen. Daran können die noch immer vorhandenen Mängel nichts ändern. Zudem wurden die Funktionen des DualSense-Controllers hervorragend eingebunden und tragen viel zum Spielgefühl bei. Unterstützt wird das Ganze von einem stets passenden und stimmungsvollen Soundtrack inklusive mehrerer Radiosender sowie einer hochwertigen deutschen Synchronisation.
Damit lässt sich sagen: Cyberpunk 2077 ist auf der PlayStation 5 und nach mehreren großen und kleinen Updates vielleicht noch nicht perfekt, aber ein fantastisches Rollenspiel und genau das, was wir uns erhofft hatten. Geschichte, Welt, Charaktere und Atmosphäre sorgen dafür, dass Cyberpunk 2077 zu den besten Genre-Vertretern der letzten Jahre gehört und auf der PS5 wird diesen Aspekten endlich auch ein angemessenes technisches Grundgerüst gegeben. Wer bisher auf Cyberpunk 2077 verzichtet hat, sollten sich das Rollenspiel auf den Next-Gen-Konsolen nicht mehr entgehen lassen.
Fazit
Schon seit der Ankündigung war ich gespannt auf Cyberpunk 2077. Allerdings ist meine Skepsis im Laufe der Jahre und mit dem steigenden Hype sowie aufgrund der immer wieder erfolgten Verschiebungen, gestiegen. Letztlich haben sich meine Befürchtungen bestätigt und ich habe Cyberpunk 2077 bis zur Veröffentlichung der Next-Gen-Upgrades im Februar 2022 nicht gespielt. Darüber bin ich froh, weil ich nun auf der PlayStation 5 ein fantastisches Rollenspiel mit kleineren technischen und spielerischen Macken erleben konnte. Cyberpunk 2077 lebt von einer glaubhaften Spielwelt, einer spannenden Geschichte und großartigen Charakteren, die gemeinsam dafür sorgen, dass ich mich immer wieder aufs Neue in Night City verliere. Daran können selbst die wenigen noch vorhandenen Bugs, Grafikmängel und Gameplay-Schwächen nichts ändern. Rollenspiel-Fans, die Cyberpunk 2077 bisher nicht gespielt haben oder von den Versionen für PS4 und Xbox One enttäuscht waren, sollten spätestens jetzt nach Night City aufbrechen. Ansonsten entgeht euch eine der besten Spielwelt der letzten Jahre und eine hervorragend erzählte und geschriebene Geschichte samt nicht weniger überzeugender Charaktere.
Kurzfazit: Atmosphärisches First-Person-Rollenspiel, das dank Next-Gen-Upgrade und Patches technisch fast genauso überzeugt wie spielerisch und erzählerisch und bei Spielwelt, Geschichte und Charaktere zu den besten Genre-Vertretern der letzten Jahre gehört.
Vielen Dank an CD Projekt für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Cyberpunk 2077!
Details
Titel: Cyberpunk 2077
Genre: Rollenspiel
Publisher: CD Projekt, Bandai Namco (Retail)
Entwickler: CD Projekt RED
Spieler: 1
Syteme: PlayStation 5 (getestet), PlayStation 4, Xbox Series X|S, Xbox One, PC
Altersfreigabe: ab 18
Erscheinungsdatum (PS4, Xbox One, PC): 10. Dezember 2020
Erscheinungsdatum (PS5, Xbox Series X|S): 15. Februar 2022