Rezension: Horizon Forbidden West (PS5)
Um die Welt zu retten, stellt sich Aloy in Horizon Forbidden West den Gefahren des verbotenen Westens.
Fast genau fünf Jahre nach Horizon Zero Dawn, setzt Guerilla Games Aloys Geschichte in Horizon Forbidden West fort. Das Action-Rollenspiel ist eindeutig als Fortsetzung konzipiert. Entsprechend ist es sinnvoll, den Vorgänger zu kennen und bestenfalls durchgespielt zu haben. Allerdings heißt das nicht, dass ihr Forbidden West nicht spielen könnt, wenn ihr Zero Dawn nicht gespielt habt, einige Handlungselemente und besonders die großartig geschriebenen Charaktere können aber ohne Vorkenntnisse nicht ihre volle Wirkung entfalten. Außerdem sei an dieser Stelle ein kleiner Spoilerhinweis für das erste Horizon erwähnt. Da die Geschichte von Horizon Forbidden West eng mit dem Vorgänger verknüpft ist, lassen sich Spoiler zu Zero Dawn nicht vermeiden. Für alle, die den ersten Teil nicht gespielt haben, wird in Forbidden West ein ordentlicher und ausreichender Rückblick, der jedoch nicht alle Facetten abdecken kann, geboten.
Aufbruch nach Westen
Widmen wir uns nun Horizon Forbidden West direkt. Wie bereits erwähnt, knüpft die Geschichte an den Vorgänger an. Genauer gesagt, beginnt das Action-Rollenspiel einige Monate nach dem Ende von Horizon Zero Dawn. Aloy ist noch immer auf der Suche nach einem Backup von Gaia, um das Terraforming-System neu zu starten und damit den Untergang der Welt zu verhindern. Hier verbirgt sich bereits die zentrale Prämisse des PlayStation-4- und PlayStation-5-Exklusiv-Titels: Die Rettung der Welt. Dabei präsentiert uns Guerilla Games einen recht ordentlichen und linearen Prolog, der uns mit den wichtigsten Gameplay-Funktionen vertraut macht. Das ist auch für alle, die Zero Dawn gespielt haben, relevant, da in Forbidden West einige Anpassungen an Kämpfen, Klettermechanik, Anzeigen und dergleichen vorgenommen wurden. Schnell verinnerlichen wir alles und folgen dem vorgegebenen Pfad der Einführung. Leider zieht sich der Prolog etwas und es dauert vielleicht ein klein wenig zu lange, bis wir endlich in die offene Welt entlassen werden.
Spätestens wenn es aber soweit ist, kann Horizon Forbidden West wieder alle Stärken des Vorgängers ausspielen und verleitet uns schon im überschaubaren Startgebiet dazu, vom Storypfade abzuweichen, um Nebenquests zu erfüllen oder einfach nur die Geheimnisse der lebendigen Spielwelt zu erkunden. Hier fühlt sich das Action-Rollenspiel wieder fantastisch an. Die Verknüpfung aus Ruinen der alten Welt, Bauten der unterschiedlichen Stämme und dem Einfluss von Flora, Fauna und Maschinen ist faszinierend und lässt uns manchmal einfach nur die detailreich gestalteten Landschaften bestaunen. Dank brillanter Optik, die besonders auf der PlayStation 5 zur Geltung kommt, aber auch auf PS4 noch immer hervorragend aussieht, erstrahlt Horizon Forbidden West regelrecht. Auf der neuen PlayStation-Konsole sorgen zusätzliche Effekte und Techniken wie Raytracing für eine noch bessere Grafik. Allerdings haben sich auch einige technische Macken und Bugs ins Spiel geschlichen. Diese sind allerdings nicht so schwerwiegend, lassen sich umgehen und werden bereits mit Patches behoben, sodass die visuelle beeindruckende Präsentation sich voll entfalten kann.
Jägerin, Sammlerin, Kämpferin
Aloy ist wie im Vorgänger eine sympathische, hervorragend geschriebene Hauptfigur mit vielen Facetten und schafft es wunderbar, die motivierende und spannende Geschichte zu tragen. Selbst, sich etwas ziehende Handlungsabschnitte oder das vergleichsweise schwache Ende, werden von Aloy und den anderen nicht weniger großartigen und lebendigen Charakteren locker aufgewogen. Nicht selten sind wir in Begleitung von bekannten und neuen Figuren unterwegs, was sowohl Charakteren, als auch Geschichte und Welt noch mehr Leben einhaucht und eine schlüssige Beziehung zwischen Aloy, ihren Freunden und neuen Bekanntschaften aufzeigt. Dabei bleibt Aloy allerdings meist alleine und muss sich den Herausforderungen des verbotenen Westens entgegenstellen. Dafür agieren wir gleichermaßen als Jägerin, Sammlerin und Kämpferin, eben als Überlebende.
Diese Begriffe sind nicht zufällig, da sie auch im Spiel, etwa für Outfits, genutzt werden und gut beschreiben, was uns als Aloy erwartet. Wir durchstreifen die faszinierende Endzeit-Welt, entdecken immer neue Gebiete, treffen auf die unterschiedlichsten Maschinen, verbessern unsere Fähigkeiten und Ausrüstung und stellen uns zahlreichen bekannten und neuen Feinden entgegen. Guerilla Games hat das Kampfsystem des Action-Rollenspiels angepasst, so dass sich die Auseinandersetzungen mit Maschinen- und Menschengegnern noch flüssiger, wuchtiger und besser anfühlen. Zu verdanken ist das auch der großartigen DualSense-Controller-Einbindung, die uns die Schwere einer Bogensehne oder eingesteckten Schaden wirklich spüren lassen. Das sorgt dafür, dass wir stets motiviert sind, uns Gegnern entgegenzustellen. Lediglich die fehlende Lock-on-Funktion, mit der wir Feinde stets im Blick behalten könnten, trübt den positiven Eindruck etwas und kann manchmal zum Übersichtsverlust führen. Wirklich schwerwiegend wirkt sich das jedoch nicht aus.
Wie in einem Rollenspiel üblich erhalten wir durch besiegte Gegner oder erfolgreich abgeschlossene Quests Erfahrungspunkte, die uns schließlich einen Levelaufstieg gewähren. Dadurch verbessert sich nicht nur Aloys maximale Gesundheit, sondern es winken auch Fertigkeitenpunkte. Diese können wir durch den Abschluss von Quests oder anderer Aktivitäten verdienen. Das ist essentiell, da uns in Horizon Forbidden West sechs umfangreiche Fertigkeitenbäume erwarten, weitaus mehr als noch im Vorgänger. In diesen erlernen wir neue passive und aktive Fähigkeiten, die Aloy verbessern, uns neue Angriffe und Spezialaktionen gewähren und uns somit immer neue Möglichkeiten in den Kämpfen, bei der Erkundung oder der Jagd bringen. Alleine die Möglichkeiten, die sich bieten, sorgen dafür, dass wir oft genau überlegen, in welche Fertigkeit wir als nächstes investieren wollen. Glücklicherweise sind Fertigkeitspunkte nicht so selten und selbst die immer teurer werdenden Punkte in den Fähigkeitsbäumen, lassen zu, dass wir regelmäßig etwas Neues lernen.
Verbesserungen für den Überlebenskampf
Um den Gefahren im wilden Westen trotzen zu können, erhalten wir im Laufe des Spiels regelmäßig neue Waffen und Outfits, die uns im Kampf stärken und unsere Abwehr verbessern. Allerdings gilt gerade bei den Kleidungsstücken weiterhin, dass sie sich je nach Kategorie, für andere Aktivitäten besser eignen und manchmal ist es sinnvoll, noch vor einem Kampf schnell das Outfit zu wechseln. Schließlich wollen wir uns keiner feuerspeienden Maschine mit einer Schwäche für genau dieses Element entgegenstellen. Um dem zusätzlich entgegenzuwirken, dürfen wir an Werkbänken unsere Ausrüstung in mehreren Stufen verbessern. Dafür benötigen wir verschiedene Materialien, die wir entweder von erlegten Tieren oder Maschinen erhalten. Bei Letzteren heißt es aber, Vorsicht walten zu lassen, da bestimmte Teile der Maschinen bei deren Zerstörung ebenfalls unbrauchbar werden. Wir müssen diese also mit gezielten Schüssen und Angriffen vorher abtrennen. Dafür dürfen wir, gewünschte Teile bei Betrachtung der Maschinen durch den Fokus gesondert markieren. Auf den beiden einfachen Schwierigkeitsgraden ist das jedoch nicht erforderlich, da alle Teile auch von besiegten Maschinen erhalten werden können. Eine schöne Möglichkeit, um Neulingen einen leichteren Einstieg zu ermöglichen.
Um gezielt die Materialien zu finden, die wir für die Verbesserung unserer Ausrüstung benötigen, dürfen wir für jede Waffe und jedes Outfit einen Auftrag erstellen. Diesen können wir im Questmenü aufrufen und auf der Weltkarte wird uns angezeigt, wo wir Maschinen finden, von denen wir die benötigten Teile erhalten. Selbiges ist auch bei Händlern möglich, wenn uns Ressourcen für den Kauf neuer Ausrüstung fehlen. Damit aber nicht genug, sammeln wir in der Spielwelt auch Zutaten, die wir bei einem Koch gegen hilfreiche Mahlzeiten tauschen können. Diese gewähren uns zeitbegrenzte Boni wie mehr Gesundheit oder bestimmte Resistenzverbesserungen. Bei all der Sammelei von Materialien und Zutaten ist unser Inventar sicher, wie im Vorgänger, sehr schnell voll, oder? Nein. Diese nervige Schwäche von Zero Dawn haben Guerilla Games damit behoben, dass sämtliche gesammelten Gegenstände, die nicht mehr in unser Inventar passen, automatisch ins Lager geschickt werden. An überall in der Spielwelt verteilten Truhen, können wir auf dieses zugreifen und uns herausnehmen, was wir benötigen. Eine wirkliche Erleichterung, die die Zeit im Inventar deutlich verkürzt. Auch mehr Komfort beim Verkaufen oder der Sortierung des Inventars sind mehr als willkommen und ermöglichen es uns mehr Zeit mit dem eigentlichen Spielen zu verbringen.
Zahlreiche Ablenkungen
Neben der etwa fünfunddreißig Stunden langen Hauptgeschichte, bietet Horizon Forbidden West wieder viele andere Beschäftigungsmöglichkeiten in der offenen Spielwelt. Wie sollte es bei einem Open-World-Action-Rollenspiel auch anders sein? Allerdings fühlen sich die meisten davon tatsächlich sinnvoll an und wir haben nicht immer das Gefühl, als würden wir einfach nur irgendetwas sammeln, um die Spielzeit zu verlängern. Zu verdanken ist das den durchaus interessanten Geschichten und Informationen, die mit den Sammelgegenständen verbunden sind. Deshalb erkunden wir gerne Ruinen oder suchen die unterschiedlichsten Objekte in der Spielwelt. Dabei kommen sogar leichte Metroidvania-Elemente auf. Einige Orte können wir aufgrund von verschlossenen Zugängen oder anderen Einschränkungen anfangs nicht erreichen. Erst wenn wir bestimmte hilfreiche Werkzeuge freigeschaltet haben, kommen wir an diesen Stellen weiter, weshalb ein Besuch alter Gebiete immer sinnvoll ist – schließlich wollen wir jedes noch so kleine Geheimnis entdecken.
Zusätzlich bietet Horizon Forbidden West zahlreiche großartig geschriebene, interessante und spannende Nebenquests, die uns noch tiefer in die lebendige Welt des Action-Rollenspiels ziehen. Wie schon beim Vorgänger beweist Guerilla Games hier ein Händchen für schöne Nebengeschichten, die vielleicht nicht direkt mit der Weltrettungshandlung verbunden sind, sich aber wunderbar in die Welt einfügen und dafür sorgen, dass diese glaubhafter wirkt und die Bewohner mit den Problemen und Herausforderungen von dieser zu kämpfen haben. Abseits davon dürfen wir uns im Strategiebrettspiel Maschinenstreit versuchen, Jagdgebiet-Herausforderungen absolvieren oder in einer Arena antreten, so dass die Spielzeit schnell deutlich nach oben steigt. Aber all das machen wir gerne, da wir dabei stets hervorragend unterhalten werden.
Allgemein gelingt es Horizon Forbidden West ausgezeichnet, uns jede Ablenkung von der Hauptquest wunderbar zu verkaufen und uns gerne dazu zu verleiten unsere Pfade zu verlassen, um mehr zu erkunden, zu entdecken und zu erleben. Egal ob wir einfach nur ein paar zusätzliche Kämpfe bestreiten, den Bewohnern der Welt helfen oder uns mit Nebenbeschäftigungen die Zeit vertreiben, langweilig wird das Action-Rollenspiel nie. Zu verdanken ist das natürlich auch der gelungenen Atmosphäre, die von der lebendig gestalteten Welt und der schicken Optik wunderbar unterstützt wird. Ähnliches gilt natürlich auch für den stimmungsvollen Soundtrack, der das Geschehen wunderbar begleitet, sowie die hochwertige deutsche Synchronisation, die allen Charakteren glaubhaft Leben einhaucht und endgültig unterstreicht, dass Horizon Forbidden West, trotz kleinerer Schwächen, durchweg zu überzeugen weiß und mit viel Spielspaß an die Konsole fesselt.
Fazit
Nach Horizon Zero Dawn übertrumpft sich Guerilla Games mit Horizon Forbidden West noch einmal selbst. Das Action-Rollenspiel ist das bisher beste Spiel des Studios, das ich gespielt habe. Von kleineren Schwächen bei Kampfsystem, Geschichte und Technik abgesehen, ist Horizon Forbidden West einfach ein faszinierendes Erlebnis. Es ist unglaublich motivierend, Aloy bei ihrer Mission, die Welt zu retten, zu begleiten und sich gemeinsam mit ihr, den Gefahren des verbotenen Westens zu stellen. Sicher, Guerilla Games setzt in einigen Punkten auf die bekannten Abläufe und Elemente des Vorgängers, denkt diese jedoch weiter und schafft damit eine hervorragende Entwicklung innerhalb der Reihe. Dadurch übertrumpft Forbidden West das erste Horizon in fast allen Punkten und steht diesem höchstens bei der Geschichte ein wenig nach. Doch wirklich relevant ist das nicht, da Horizon Forbidden West spätestens nach dem sich etwas ziehenden, aber ebenfalls gelungenen Prolog, einfach nur ein großartiges Action-Rollenspiel-Erlebnis ist. Stets bin ich motiviert, die riesige offene Welt zu erkunden, Neues zu entdecken oder zu bekannten Orten zurückzukehren, sobald ich neue Werkzeuge erhalten habe. Auch die Kämpfe verstehen es, mich zu motivieren, während die Geschichte sowie die Nebenquests stets spannend und interessant sind. Selbst kleine Nebenbeschäftigungen verleiten mich dazu, Stunden mit ihnen zu verbringen und genau das zeigt für mich die Faszination von Horzion Forbidden West, die nicht nur in der Weltrettungsgeschichte und den großartigen Charakteren, sondern auch in der lebendigen Welt zu finden ist. Damit ist Horizon Forbidden West eines der bisher besten PlayStation-5-Spiele und definitiv ein Spiel-des-Jahres-Anwärter. Genre-Fans sollten sich das Action-Rollenspiel nicht entgehen lassen, bestenfalls aber den sehr guten Vorgänger Horizon Zero Dawn inklusive DLC The Frozen Wilds gespielt haben.
Kurzfazit: Fantastisches Action-Rollenspiel, das trotz kleiner Schwächen, in allen Bereichen überzeugt und mit Story, Charakteren und Gameplay gleichermaßen motiviert und unterhält. Eindeutig eines der besten Spiele des Jahres.
Vielen Dank an Sony Interactive Entertainment für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Horizon Forbidden West!
Details
Titel: Horizon Forbidden West
Genre: Action-Rollenspiel
Publisher: Sony Interactive Entertainment
Entwickler: Guerilla Games
Spieler: 1
Syteme: PlayStation 5 (getestet), PlayStation 4
Altersfreigabe: ab 12
Erscheinungsdatum: 18. Februar 2022
Horizon Forbidden West™ © 2022 Sony Interactive Entertainment Europe. Herausgegeben von Sony Interactive Entertainment Europe Ltd. Entwickelt von Guerrilla. „Horizon Forbidden West“ ist ein Warenzeichen von Sony Interactive Entertainment Europe. Alle Rechte vorbehalten.