Rezension: Die Stummen Reiche (Comic)

Der Tod ihres Nachbarn Victor bringt Persephone auf der Suche nach Victors letztem Seufzer in Die Stummen Reiche ins Reich der Toten.

Persephone kennt den Tod. Im Alter von zwölf Jahren hat sie ihn am Abend der Totenwache ihres Nachbarn Victor Columbaria kennengelernt. Obwohl sie Victor kaum kannte, erschien ihr während der Totenwach sein Geist, den nur sie sehen konnte. Deshalb ist Victor ihr nach Hause gefolgt, was die beiden Totenreich-Agenten Charles Leriot und Theophil Dumon Laverne ebenfalls in Persephones Zimmer geführt hat. Schließlich ist es ihre Aufgabe, Victors letzten Seufzer einzusammeln. Dieser dient als wichtige Energiequelle für das Totenreich und ist zugleich der Preis für den Einlassen ins Leben nach dem Tod. Dummerweise sind die beiden zwei Tage zu spät und der letzte Seufzer ist bereits entkommen. Ihnen bleibt nur wenig Zeit, denn schon bald löst sich Victors letzter Atemzug auf und er ist zu einem Dasein als herumirrende Seele verdammt – und das durch die Schuld von Charles und Theophil, die im Totenreich eine Strafe zu befürchten haben. Als sie dorthin zurückkehren, stolpert auch Persephone durchs Portal und ist als Lebende in der Welt des Todes, einem Reich, in dem sie nicht sein darf.

Versehentlich im Totenreich

Die Stummen Reiche erzählt eine schaurig-charmante und kindgerechte Geschichte über den Tod und setzt dabei auf Humor sowie den respektvollen Umgang mit Verlust und Trauer. Allerdings handelt es sich bei dem Comic-Einzelband von Autorin Séverine Gauthier und Zeichner Jérémine Almanza vor allem um ein leichtgängiges und amüsantes Abenteuer in einer fantasievollen und abgedrehten Welt der Toten. Protagonistin Persephone trifft zufällig während der Totenwache ihres Nachbarn Victor Columbaria auf dessen Geist, der ihr anschließend bis nach Hause folgt. Schließlich scheint niemand sonst ihn zu sehen und Victor versteht nicht, was passiert ist. Es dauert nicht lange, bis die beiden Skelette und Totenreich-Agenten Charles Leriot und Theophil Dumont Laverne aus einem Portal in Persephones Schrank auftauchen. Allerdings sind sie zu spät, da Victors letzter Seufzer, den sie einsammeln sollen, bereits abgehauen ist – schließlich ist er bereits vor zwei Tagen gestorben.

Die Idee der letzten Atemzüge als mächtige Energiequelle, die gleichzeitig als Preis für den Eintritt ins Leben nach dem Tod dient, ist einfallsreich und verleiht der Aufgabe von Charles und Theophil etwas Schauriges und zugleich Herzerwärmendes. Um Victor vor einem Schicksal als umherziehende Seele zu bewahren und einer Strafe zu entgehen, wollen Charles und Theophil den letzten Seufzer einfangen, bevor er sich auflöst. Allerdings ist das nicht so leicht und natürlich gerät Persephone bei ihrer übereilten Rückkehr ins Totenreich ebenfalls auf die andere Seite. Hier beginnt relativ bald die abenteuerliche, charmante Geschichte erst richtig. Dabei fällt der zügige Erzählstil und der sich daraus ergebende angenehme Lesefluss auf. Beides trägt zum Unterhaltungswert des Comics bei. Zusätzlich profitiert Die Stummen Reiche von den sympathischen Hauptfiguren. Persephone, Charles, Theophil und Victor zeigen ausreichend Tiefe, um die Geschichte zu tragen und wachsen zudem schnell ans Herz. Zumal sie auch Stärken und Schwächen zeigen, Fehler begehen oder sich mit einem unerwarteten Schicksal auseinandersetzen müssen. Auf achtzig Seiten erzählt Die Stummen Reiche auf diese Weise eine abwechslungsreiche Geschichte voll abgedrehtem Humor.

Auffällig ist dabei auch das hohe Maß an Kreativität bei der Inszenierung des Totenreichs. Obwohl vieles nur in den Zeichnungen zu entdecken ist, lohnt es sich, die detailreichen Bilder genau zu betrachten. Überall lässt sich etwas entdecken, was der Unterwelt mehr Profil verleiht. Doch auch abseits davon garantieren die Ereignisse im Reich der Toten viel abgedrehten und schaurig-gruseligen Einfallsreichtum. Das gilt auch für die Darstellung des Todes oder den Aufbau der Gesellschaft. Zudem profitiert Die Stummen Reiche von der charmanten und gruseligen Atmosphäre, die gemeinsam mit den gut geschriebenen Texten ihren Teil zum Lesespaß des Comics beiträgt.

Fazit

Die Stummen Reiche zu lesen war eine spontane Entscheidung aufgrund des Covers des schaurig-charmanten Abenteuer-Comics – und ich bin froh darüber. Schon auf der ersten Seite hat mich der ein wenig an Corpse Bride oder Coraline erinnernde Zeichenstil in die Geschichte eintauchen lassen und garantiert über achtzig Seiten eine dichte Atmosphäre. Zusätzlich wird eine kurzweilige, amüsante und zugleich angemessen ernste Geschichte über das Abenteuer einer Zwölfjährigen im Totenreich erzählt. Dabei profitiert der Comic-Einzelband von der leichtgängigen Erzählweise, aus der sich ein angenehmer Lesefluss ergibt. Fans, schaurig-schöner sowie charmanter Geschichte sollten Die Stummen Reiche unbedingt eine Chance geben.

Kurzfazit: Charmantes Grusel-Comic, das eine schaurig-amüsante Geschichte mit liebenswerten Charakteren und einer dichten Atmosphäre in detailreich-fantasievollen Zeichnungen erzählt.

Vielen Dank an Splitter Verlag für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Die Stummen Reiche!

Details
Titel: Die Stummen Reiche
Originaltitel: Les Royaumes Muets
Genre: Grusel, Abenteuer, Comedy
Verlag: toonfish (Splitter Verlag)
Szenario: Séverine Gauthier
Zeichnungen: Jérémie Almanza
Seiten: 80
Preis: 19,95 €
Verlagsseite: Die Stummen Reiche bei Splitter Verlag
Erscheinungsdatum: 21. November 2024

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