Rezension: Der Imaginäre

Getrennt von Amanda muss sich ihr unsichtbarer Fantasie-Freund Rudger in Der Imaginäre existenzbedrohenden Gefahren stellen.

Rudger ist der engste und beste Freund der jungen Amanda. Allerdings kann nur Amanda ihn sehen. Gemeinsam erleben sie fantasievolle, aufregende Abenteuer, die ihren Ursprung in Amandas enormer Vorstellungskraft haben. Als eines Tages ein seltsamer Mann den kurz vor der Schließung stehenden Buchladen ihrer Mutter besucht, entdecken Amanda und Rudger, dass es noch weitere Wesen wie Rudger gibt. Doch Mister Bunting scheint böses zu planen. Als Rudger plötzlich von Amanda getrennt wird, lernt er eine andere Welt kennen und erfährt, was es heißt, ein Imaginärer zu sein. Aber Rudger will unter allen Umständen zurück zu Amanda.

Vorgestellte Freundschaft

Der Imaginäre ist nach Mary und die Blume der Hexen der zweite Film des 2015 vom ehemaligen Studio-Ghibli-Produzenten Yoshiaki Nishimura gegründeten Studio Ponoc. Wie bereits Mary und die Blume der Hexen basiert Der Imaginäre auf einem britischen Jugendbuch. Die Geschichte folgt Rudger, dem unsichtbaren Freund von Amanda, der durch einen tragischen Zwischenfall plötzlich von ihr getrennt wird. Dabei setzt Der Imaginäre recht deutlich auf einen an zahlreiche Studio Ghibli erinnernden Erzählstil und versucht eine ähnliche Stimmung wie die Filme des bekannten Anime-Studios aufzubauen. Das gelingt zwar teilweise, doch zeigt Der Imaginäre bei Geschichte, Handlungsablauf und Charakteren einige bedauerliche Schwächen.

Dabei beginnt Der Imaginäre recht vielversprechend. Nach einer kurzen Einführung, in der sich Rudger selbst und Amanda vorstellt, werden die beiden Hauptfiguren genauso wie Amandas Mutter kurz ausführlicher charakterisiert. Hier fällt es bereits leicht, Rudger und Amanda ins Herz zu schließen. Leider wird das vorhandene Potenzial im Anschluss nur teilweise genutzt. Kann das erste Viertel des Films noch überzeugen, verliert sich die mit einigen durchaus gelungenen Wendungen angereicherte Geschichte später in unnötigen Längen. Diese sich ziehende Erzählweise trübt den Unterhaltungswert. Zumal einige Szenen kürzer hätten ausfallen können, ohne dass die Handlung darunter gelitten hätte.

Schleppendes Abenteuer

Zusätzlich bleiben einige Charaktere recht blass und dienen lediglich der Erfüllung ihrer Rollen. Dafür funktionieren sie zwar gut, doch gerade weil eine zentrale und für Rudger prägende Wendung später an Bedeutung und Wirkung verliert, wirken nicht nur manche Entwicklungen, sondern auch Figuren noch unwichtiger. Das ist bedauerlich, da Der Imaginäre damit weiteres Potenzial verschenkt und zugleich teilweise inkonsequent ist. Immerhin können Mister Bunting und das ihn begleitende namenlose, gruselige Mädchen als Antagonisten für ausreichend Spannung sorgen, auch wenn sie ebenfalls kaum mehr sind als das, was ihre Rolle erfordert.

Noch weitaus störender fällt das nicht ganz schlüssige Ende auf. Eine zuvor aufgebaute Prämisse verliert dabei an Wirkung und es stellt sich die Frage, weshalb der recht plötzliche Abschluss das nicht berücksichtigt. Während im Verlauf des Films ein paar Kürzungen sinnvoll gewesen wären, hätte Der Imaginäre zum Ende ein paar mehr Szenen verdient gehabt, um einen runderen Abschluss zu garantieren. Dafür überzeugt der Film durchweg mit farbenfrohen, verspielten Animationen, schönen Charakterdesigns und reichlich Fantasie. Das sorgt für viel Charme, der unter der eher durchschnittlichen Erzählweise und Handlung leidet. Damit ist Der Imaginäre zwar kein schlechter Film, vollständig überzeugen kann das Werk von Studio Ponoc aber nicht. Gerade angesichts des vorhandenen Potenzial ist das bedauerlich.

Fazit

Da mich der Trailer von Der Imaginäre sofort neugierig gestimmt hat und mit Studio Ponoc ein vielversprechendes Studio hinter dem Film steht, habe ich mich auf Rudgers und Amandas Abenteuer gefreut. Anfangs wirkt es auch so, als könne die fantasievolle Geschichte die Erwartungen erfüllen. Leider wird das vorhandene Potenzial aber nicht genutzt. Der Imaginäre ist kein schlechter Film, schafft es aber aufgrund der sich ziehenden Handlung, einiger blasser Charaktere, inkonsequenten Wendungen und eines plötzlichen, nicht ganz schlüssigen Endes nicht durchweg zu überzeugen oder zu unterhalten. Gerade angesichts der vorhandenen Möglichkeiten und des grundsätzlichen Charmes ist das wirklich bedauerlich. Fans fantasievoller und schön animierter Filme können zwar einen Blick wagen, sollten aber nicht mehr als einen durchschnittlichen, aber immerhin kurzweilig unterhaltsamen Film erwarten.

Kurzfazit: Mittelmäßiger Fantasy-Anime-Film, dessen Charme unter einer sich ziehenden Erzählweise, inkonsequenten Wendungen und einem mauen Ende leidet und viel Potenzial ungenutzt lässt, aber kurzweilige Unterhaltung für nebenbei bietet.

Details
Titel: Der Imaginäre
Originaltitel: Yaneura no Rudger
Genre: Fantasy, Abenteuer, Drama
Regie: Yoshiyuki Momose
Studio: Studio Ponoc, Inc.
Produktionsjahr: 2023
Laufzeit: ca. 108 Minuten
Sprachen: Deutsch, Japanisch, Englisch und weitere
Untertitel: Deutsch, Japanisch, Englisch und weitere
Herkunftsland: Japan
Altersfreigabe: ab 6
Erscheinungstermin: 05. Juli 2024
Streamen: Der Imaginäre bei Netflix

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