Rezension: Wizardry: Proving Grounds of the Mad Overlord (Switch)

Um den bösen Magier Werdna aufzuhalten, erkunden Abenteuer in Wizardry: Proving Grounds of the Mad Overlord ein gefährliches Labyrinth.

Erstmals 1981 für Apple II veröffentlicht, ist Wizardry: Proving Grounds of the Mad Overlord eines der einflussreichsten Rollenspiele. Gemeinsam mit dem nur wenige Monate früher erschienenen Ultima, schuf das erste Wizardry die Grundlagen für das Genre. Es war eines der ersten vom Pen-&-Paper-Rollenspiel Dungeons & Dragons inspirierte Computerspiel und das erste gruppenbasierte Rollenspiele. Sowohl amerikanische und europäische als auch japanische Genre-Vertreter wurden maßgeblich von Wizardry: Proving Grounds of the Mad Overlord beeinflusst. Darunter bekannte Marken wie Final Fantasy und Dragon Quest. Das Genre der Dungeon Crawler und damit beispielsweise die Etrian-Odyssey-Reihe wären ohne die Pionierarbeit von Wizardry undenkbar. Dennoch hat die Reihe gerade im Westen an Bekanntheit verloren, hat aber vor allem in Japan noch eine treue Fan-Gruppe. Digital Eclipse hat Wizardry: Proving Grounds of the Mad Overlord ein umfangreiches und originalgetreues Remake spendiert, das den einstigen Meilenstein auf modernen Systemen und mit kleineren Quality-of-Life-Runktionen zurückbringt.

Klassische Dungeon-Erkundung

Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei Wizardry: Proving Grounds of the Mad Overlord um einen Dungeon Crawler. Heutzutage genießt das Genre eher ein Nischendasein. Die Erkundung von verwinkelten Labyrinthen, Kerkern und anderen Dungeons sowie das stetige Bekämpfen von Gegnern, zurückkehren in eine Stadt und erneute Betreten der Dungeons hat den Ruf, repetitiv zu sein. Zudem wird dem Genre nachgesagt, dass die Geschichte deutlich hinter dem Gameplay zurückstehen muss und meistens sehr einfach gehalten ist. Obwohl das nicht auf jeden Genre-Vertreter zutrifft, passt die Beschreibung ziemlich gut zu Wizardry. Mit einer Gruppe aus sechs Abenteurern erkunde ich die Tiefen eines Labyrinths, bekämpfe unterschiedliche Gegner und kehre regelmäßig in die Stadt über dem Dungeon zurück, um mich zu erholen, Verstorbene wiederzubeleben, neue Ausrüstung zu kaufen oder andere Helden zu rekrutieren. Doch Wizardry: Proving Grounds of the Mad Overlord entfaltet eine packende Spielspaß-Spirale – zumindest wenn der sehr hohe und gnadenlose Schwierigkeitsgrad nicht abschreckt.

Als Grundlage für die Erkundung des Labyrinths dient eine eher simple Geschichte. Der Magier Werdna hat Trebor, dem Herrscher von Lylgamyn, ein magisches Amulett gestohlen und versteckt sich nun in den Tiefen unter der Stadt. Abenteurer sollen das Labyrinth erkunden, Werdna finden und das Amulett wieder beschaffen. Obwohl die Handlung sehr rudimentär ist, reicht sie als knapper Hintergrund für das Fantasy-Abenteuer aus. Zumal im Mittelpunkt, genre-typisch, das klassische Dungeon-Crawler-Gameplay steht. Dabei setzt Wizardry jedoch nicht ausschließlich auf die Erkundung des Labyrinths. Auch das Erstellen und die Zusammenstellung der Gruppe sind ein essenzieller Teil und haben deutlichen Einfluss auf den Erfolg im Kampf.

Geplante Abenteurer-Gruppe

Beim Start von Wizardry: Proving Grounds of the Mad Overlord besteht die Möglichkeit, mit einer vorgefertigten Gruppe direkt ins Abenteuer aufzubrechen. Das kann gerade für Neueinsteiger ins Genre und in die Reihe hilfreich sein, da die Erstellung von Charakteren sowie die Zusammenstellung der Gruppe durchaus komplex ist. Eigene Abenteuer können beim Übungsplatz in der Stadt erstellt werden. Dabei kann ich zwischen Menschen, Elfen, Zwergen, Gnomen und Halblingen wählen. Jede sogenannte Erblinie hat andere Eigenschaften bei den Attributwerten und eignet sich somit auch besonders gut für andere Klassen. Welche Profession ein Charakter wählen kann, hängt jedoch von der durchdachten Verteilung der Attributpunkte ab. So müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, um manche Berufe anzunehmen. Ist ein Kämpfer mit elf Stärke oder ein Magier mit elf Intellekt noch relativ leicht zu erstellen, wird es bei fortgeschrittenen Klassen wie Bischof oder Samurai schon komplizierter.

Für die Zusammenstellung der Gruppe ist ein Besuch in der Taverne erforderlich. Hier können Charaktere der Gruppe hinzugefügt oder aus ihr entfernt werden. Außerdem ist es möglich, vorgefertigte Abenteurer gegen Gold zu rekrutieren. Eine gute Möglichkeit, um stärkere Mitstreiter zu gewinnen, da sich die Level an der höchsten bisherigen Charakter-Stufe orientieren. Gerade wenn ich nach einem Besuch des Labyrinths mit schweren Verlusten zurückkehre oder meine gesamte Gruppe gefallen ist, kann das hilfreich sein. Allerdings sind die Abenteurer teuer und die finanziellen Mittel sind gerade zu Beginn stark eingeschränkt. Da auch die Wiederbelebung im Tempel Geld kostet, muss gut überlegt sein, ob eine Rekrutierung oder das Zurückholen eines Gruppenmitglieds von den Toten sinnvoller ist. Zusätzlich wird der Geldbeutel von den Einkäufen im örtlichen Laden belastet. Hier kann neben neuer Ausrüstung, die spürbaren Einfluss auf die Stärke der Charaktere haben, gefundene Gegenstände identifiziert oder von einem Fluch befreit werden. Natürlich geht das alles ins Geld. Immerhin ist die Übernachtung und damit Erholung von Treffer- und Magiepunkten im Gasthaus kostenlos. Hier kann auch das jeweilige Level der einzelnen Gruppenmitglieder erhöht werden, wenn ausreichend Erfahrungspunkte gesammelt wurden.

Gefährliches Labyrinth

Sind die Vorbereitungen getroffen, geht es ins Labyrinth unter der Stadt. Hier bewegt sich die Abenteurergruppe aus der First-Person-Perspektive Feld für Feld weiter. Es werden Gänge erkundet, Türen geöffnet, Räume untersucht, Schalter betätigt und kleine Rätsel gelöst. Über Treppen und Aufzüge gelange ich auf andere Ebenen des Dungeons. Das ist essentiell, da es natürlich erforderlich ist, in immer größere Tiefen vorzudringen. Dort warten allerdings auch schwerere Gegner und bereits auf der ersten Ebene, kann Wizardry: Proving Grounds of the Mad Overlord herausfordernd sein. Nur wenn die Gruppe gut geplant ist, die Aufstellung stimmt und die Aktionen im Kampf funktionieren, besteht eine Überlebenschance. Gerade zu Beginn bin ich außerdem gezwungen immer wieder auf der ersten Ebene zu beginnen und für die Rückkehr in die Stadt zum Ausgang zu laufen. Das kann nicht nur aufgrund der Dauer, sondern auch aufgrund zusätzlicher Kämpfe und somit Gefahren an den Nerven zerren. Allerdings finde ich mich immer besser zurecht, meine Gruppe wird stärker und somit erhöhen sich auch meine Chancen, tiefer in den Dungeon zu gelangen.

Kämpfe finden nach dem Zufallsprinzip statt. Zwar gibt es Situationen, wie das Betreten eines Raumes, in denen ich häufiger auf Gegner treffe, doch grundsätzlich kann es immer zu einem Kampf kommen. Ist es soweit, wechselt das Geschehen in einen Kampfbildschirm, auf dem ich die Gegner vor mir sehe. Nacheinander erteile ich meiner Gruppe Befehle, bevor ich den Kampf einleite. Dabei ist zu beachten, dass nur die drei Charaktere in der vorderen Reihe direkt angreifen können. Die drei Charaktere in der hinteren Reihe sind lediglich in der Lage, mit Zaubern in den Kampf einzugreifen. Allerdings ist Magie angesichts der geringen Magiepunkte gerade zu Beginn wertvoll und sollte gut überlegt eingesetzt werden. Zusätzlich können Angriffe pariert oder abgewehrt oder Gegner untersucht werden. Letzteres hilft dabei, Feinde besser zu verstehen und etwa Resistenzen oder besondere Merkmale zu erkennen. Jede Aktion wird im Hintergrund vom System ausgewürfelt. Hier wird deutlich, dass Wizardry von Pen-&-Paper-Rollenspielen inspiriert ist. Deshalb werden Attacken-Werte beispielsweise von Waffen auch mit Würfeln angegeben. Beeinflussen kann ich das nicht, weshalb ich ein wenig dem Zufall ausgeliefert bin. Störend oder gar unfair, fühlt sich das aber nie an, zumal nur das direkte Ergebnis eines Kampfes bemerken.

Kleine, nützliche Anpassungen

Obwohl Wizardry: Proving Grounds of the Mad Overlord in erster Linie eine möglichst originalgetreue Spielerfahrung in modernem Grafik-Gewand bieten soll, hat Digital Eclipse dem Dungeon-Crawler-Rollenspiel ein paar optionale Neuerungen spendiert. Das erhöht die Zugänglichkeit, die aufgrund des knackigen und teilweise gnadenlosen Schwierigkeitsgrades bereits eingeschränkt ist. So lässt sich beispielsweise einstellen, ob Angriffe auf andere Gegner umgeleitet werden sollen, falls das eigentliche Ziel bereits besiegt ist. Das ist gerade deshalb hilfreich, weil im Kampf lediglich die Reihe und nicht die einzelnen Gegner ausgewählt werden kann. Außerdem kann festgelegt werden, dass im Dungeon verschollenen Charakteren nichts Schlimmes passiert. Dadurch ist es leichter, sie unbeschadet zu retten. Andernfalls können Charaktere, die im Dungeon zurückgeblieben sind bestohlen oder sogar gefressen und somit endgültig getötet werden. Gerade für Genre- und Reihen-Neulinge eine gute Möglichkeit, um den Einstieg in Wizardry zu finden, zumal die Einstellungen jederzeit geändert werden können. Sehr schön.

Optisch mag Wizardry: Proving Grounds of the Mad Overlord vielleicht nicht mit der aufwändigsten Grafik begeistern, dafür weiß der stimmungsvolle Fantasy-Stil des Rollenspiels zu gefallen. Zumal der Unterschied zum Apple-II-Original enorm ist. Das wird besonders dadurch deutlich, dass die Originalgrafik jederzeit in der rechten unteren Ecke angezeigt wird. Wahlweise kann das Original auch größer in die Mitte des Bildes gelegt oder ganz ausgeblendet werden. Ebenfalls gelungen ist die sehr intuitive Steuerung, die nur bei der Menübedienung manchmal etwas zu umständlich ist. Zudem fällt negativ auf, dass die Gruppenaufstellung beim Ableben eines Charakters automatisch angepasst wird. Hier wäre eine manuelle Festlegung, wer in die vordere Reihe nachrückt, besser. Wirklich negativ wirkt sich das aber nicht aus. Untermalt wird das Rollenspiel von schöner mittelalterlicher Musik, die viel zur Atmosphäre beiträgt.

Fazit

Es ist bereits über zwanzig Jahre her, seit ich zuletzt einen Wizardry-Teil gespielt habe. Damals konnte ich dank einer Sammlung fast alle Hauptteile der Dungeon-Crawler-Rollenspiel-Reihe auf dem PC erneut oder zum ersten Mal spielen. Wizardry: Proving Grounds of the Mad Overlord ermöglicht mir nun in einem vollwertigen Remake erneut das gefährliche Labyrinth auf der Suche nach dem bösen Magier Werdna zu durchsuchen. Allerdings fällt der Schwierigkeitsgrad wirklich hoch aus, woran ich mich erst wieder gewöhnen musste. Hier hätte ich mir verschiedene Einstellungsmöglichkeiten gewünscht, auch um die Reihe Neueinsteigern schmackhafter zu machen. Doch auch so, ist Wizardry: Proving Grounds of the Mad Overlord eine gelungene Neuauflage des Apple-II-Klassikers. Nach einer kurzen Eingewöhnungszeit, hat mich die Erkundung des Labyrinths genauso wie das Zusammenstellen einer starken Abenteurer-Gruppe, gepackt und ich habe mich immer wieder den Gefahren des Dungeons gestellt. Dabei versteht es Wizardry gerade mit den Kämpfen sowie den vielen Individualisierungsmöglichkeiten der Charaktere zu begeistern. Zudem sorgen einige Quality-of-Life-Funktionen dafür, dass sich das Rollenspiel etwas moderner und zugänglicher anfühlt. Nur der hohe Schwierigkeitsgrad bleibt. Wer sich davon nicht abschrecken soll, erhält ein großartiges und motivierendes Dungeon-Crawler-Rollenspiel.

Kurzfazit: Trotz kleiner Schwächen, gelungenes Dungeon-Crawler-Rollenspiel-Remake mit motivierendem Gameplay und sehr hohem Schwierigkeitsgrad.

Vielen Dank an Digital Eclipse für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Wizardry: Proving Grounds of the Mad Overlord!

Details
Titel: Wizardry: Proving Grounds of the Mad Overlord
Genre: Rollenspiel, Dungeon Crawler
Publisher: Digital Eclipse
Entwickler: Digital Eclipse
Spieler: 1
Syteme: Switch (getestet), PlayStation 5, PlayStation 4, Xbox Series X|S, Xbox One, PC
Altersfreigabe: ab 16
Erscheinungsdatum: 23. Mai 2024