Rezension: Crymachina (PS5)

Tausende Jahre nach dem Ende der Menschheit versuchen in Crymachina drei in künstlichen Körpern wieder erwachte Mädchen, ihre Menschlichkeit zurückzuerlangen.

Die Schülerin Leben Distel ist an der geheimnisvollen, unheilbaren Krankheit Centrifugal Syndrome gestorben. Zweitausend Jahre später erwacht sie mit wenigen Erinnerungen an ihr vorheriges Leben in einem künstlichen Körper wieder. Enoa, eine von acht Dei Ex Machina, die ein Eden genanntes Raumschiff kontrollieren, hat sie zurückgeholt. Allerdings herrscht auf Eden kein Frieden mehr. Die Dei Ex Machina agieren nicht im Einklang miteinander, bekämpfen sich und verfolgen die ihrer Logik entsprechenden Vorgehensweisen. Enoa setzt alles daran, dass eine der von ihr wiedererweckten, sogenannten E.V.E.s ihre volle Menschlichkeit erlangt und somit die Kontrolle über ganz Eden und alle Dei Ex Machina erhält. Leben gilt als Auserwählte mit hoher Menschlichkeits-Affinität. Gemeinsam mit Mikoto Sengiku und Ami Shido, steht sie an Enoas Seite und stellt sich, trotz ihrem Hass auf Menschen, den anderen Dei Ex Machina auf der Suche nach Menschlichkeit entgegen.

Suche nach Menschlichkeit

Crymachina führt uns in eine düstere Zukunft, in der die Menschheit bereits seit zweitausend Jahren ausgestorben ist. Die letzte Spur der einstigen Zivilisation ist das Raumschiff Eden, auf dem acht Dei Ex Machina genannte künstliche Intelligenzen die Aufgabe verfolgen, das menschliche Leben wiederzuerschaffen. Als wir in der Rolle von Leben Distel nach einer emotionalen wie kryptischen Zwischensequenz in einem als E.V.E. bezeichneten künstlichen Androiden-Körper wiedererwachen, werden wir von der achten Deus Ex Machina Enoa begrüßt. Die als junges, blondes Mädchen erscheinende KI gewinnt sofort Lebens Sympathie und Zuneigung, was ein wichtiger Faktor ist und früh eine Eigenschaft der Protagonistin zeigt. Leben mag Maschinen, hasst jedoch Menschen. Gerade angesichts des Szenarios und der Geschichte, ist das überaus relevant, schließlich kämpfen wir als Leben gegen Maschinen, sind in einem künstlichen Körper erwacht und versuchen, unsere Menschlichkeit zurückzuerlangen.

Bereits an solchen Ansätzen zeigt sich, dass Crymachina auf eine philosophisch angehauchte Science-Fiction-Geschichte setzt. Dabei sind die Handlung und die Figuren die größte Stärke des Action-Rollenspiels von FuRyu und Aquira. Neben Leben gilt das auch für die anderen beiden spielbaren Charaktere Mikoto Sengiku und Ami Shido, die sich bei ihren Persönlichkeiten schön abgrenzen und viel Eigenständigkeit aufweisen. Auch Enoa nimmt eine entsprechend wichtige Rolle ein und wird als komplexe KI gut umgesetzt. Ähnliches gilt für weitere Figuren, denen wir im Laufe der Geschichte begegnen. Zudem weiß Crymachina durchaus mit einer spannenden Handlung zu motivieren. Zwar bleibt die Inszenierung etwas unspektakulär und die Erzählweise setzt vor allem auf wenig animierte Dialoge in japanischer Sprache mit englischen Texten. Gespräche, Geschichte und Wendungen wissen zu überzeugen und bis zum Ende zu motivieren. Tatsächlich gelingt es Crymachina sogar gerade, dank der Mischung aus komplexen, vielschichtigen Charakteren und nachdenklicher, emotionaler Geschichte zu packen.

Actionreiche Wiederholung

Damit gleicht das Action-Rollenspiel auch die Gameplay-Schwächen aus. Dabei sind die Grundsätze wirklich gelungen. Als Basis dient uns eine als Imitation Garden bezeichnete virtuelle Umgebung. In dieser können wir uns jedoch nicht frei bewegen. Stattdessen wählen wir in Menüs die unterschiedlichen Punkte aus. Darunter etwa die wichtigen Tea-Party-Gespräche. Diese müssen wir führen, um in der Geschichte voranzukommen und über das Data Transport Terminal das nächste Level betreten zu können. Jede der als Network bezeichneten Umgebungen umfasst mehrere Level, die jedoch stets kurz und linear ausfallen. Abgesehen von kurzen Abzweigungen, um etwas einzusammeln, simplen Rätseln oder optionalen Kämpfen gegen besonders schwere Gegner, wird nichts als Abwechslung geboten. Ansonsten folgen wir dem linearen Level-Verlauf, kämpfen an bestimmten Punkten gegen einige Gegner und stellen uns am Ende einem Miniboss. Zum Abschluss eines jeden Networks wartet im letzten Level ein besonderer Boss, der auch individuelle Vorgehensweisen erfordert.

Da die Level trotz unterschiedlicher Umgebungen in ihrem Aufbau kaum Abwechslung bieten, stellt sich schnell ein immer identischer Spielablauf ein. Wir führen die Tea-Party-Dialoge, betreten das nächste Level, bekämpfen Gegner, stellen uns dem Miniboss. Dann geht der Kreislauf von vorne los, um das nächste Level abzuschließen, bis wir schließlich den Boss eines Networks erreichen. Zwar gibt es auch optionale Subnetworks und somit Bonuslevel, doch diese bringen vor allem mehr Kämpfe und Gegenstände. Immerhin weiß das actionreiche Echtzeit-Kampfsystem zu überzeugen. Als Leben oder einer der beiden anderen spielbaren Charaktere greifen wir mit schnellen Attacken an, weichen aus, wehren ab, parieren und nutzen die Gelegenheit für besondere Angriffe, wenn unser Gegner handlungsunfähig ist. Zusätzlich sind wir mit zwei Auxiliaries genannten Zusatzwaffen, die links und rechts neben unserem Charakter schweben, ausgerüstet. Mittels den beiden Schultertasten können wir die teils sehr unterschiedlichen Angriffe der Auxiliaries aktivieren. Dabei gilt es jedoch darauf zu achten, dass wir nicht überhitzen.

Zusätzlich können wir mittels Steuerkreuz auf Enoas Hilfe zurückgreifen. So kann die KI einen Flächenangriff starten, uns heilen oder uns in den Erwachten-Zustand versetzen. In letzterem sind unsere Charakterwerte erhöht und wir können einen besonders starken Spezial-Angriff auslösen. Allerdings ist die Häufigkeit der verschiedenen Enoa-Unterstützungen begrenzt, weshalb wir gut überlegen sollten, wann wir diese einsetzen. Dank Enoa können wir auch jederzeit zur Basis zurückkehren und ein Level somit verlassen. Das kann uns gerade dann helfen, wenn es brenzlig wird und wir uns erst neu ausrüsten oder aufleveln wollen.

Überlegte Verbesserungen

Ausrüstung können wir zwar jederzeit wechseln, aber neu gefundene Gegenstände müssen wir erst im Imitation Garden von Enoa analysieren lassen, um aus den Persönlichkeitsdaten neue Ausrüstung zu erhalten. Das gilt sowohl für Waffen als auch Rüstung und die Auxiliaries. Doch auch Levelaufstiege finden ausschließlich außerhalb der Level statt. Für jeden besiegten Gegner erhalten wir ExP, die wir im entsprechenden Menüpunkt des Imitation Gardens verwenden dürfen, um die Level unserer Charaktere zu erhöhen. Da sich Leben und die anderen die ExP teilen, will immer gut überlegt sein, wen wir als nächstes verbessern. Allerdings ist das maximale Level sowieso von unserem Spielfortschritt abhängig.

Zusätzlich dürfen wir mit EGO-Punkten, die wir etwa bei Level-Aufstiegen, durch das Besiegen von Bossen, die Tea-Party-Dialoge oder das Zerlegen von Ausrüstung erhalten, verwenden, um bestimmte Werte der E.V.E.s zu verbessern. So erhöhen wir etwa unser Expansionspotential oder Subparameter wie unsere Stabilität oder den Recovery-Boost. Allerdings sollten wir aufpassen wofür wir unsere EGO-Punkte ausgeben, da wir diese nicht nur für unsere Charaktere, sondern auch zur Verbesserungen von Enoas Unterstützung benötigen. So können wir etwa die Anzahl an Heilungen oder Erwachten-Zuständen erhöhen oder die Wirkung der jeweiligen Fähigkeiten von Enoa. Außerdem treffen wir in den Leveln die mysteriöse Händlerin Noah, die uns Persönlichkeitsdaten verkauft. Auch dafür benötigen wir EGO-Punkte. Gelegentliches besuchen bereits abgeschlossener Level, um mehr ExP und EGO-Punkte zu sammeln, lässt sich kaum vermeiden, was das repetitive Gefühl des Spielablaufs zusätzlich verstärken kann.

Abseits der Kämpfe, Level und Story- wie Charakter-relevanten Gespräche, können wir im Imitation Garden noch zahlreiche zusätzliche Details zu Figuren und Welt nachlesen. So erhalten wir etwa durch gesammelte Persönlichkeitsdaten mit der Zeit immer mehr Erinnerungsdaten, die uns mehr über Bosse sowie Nebenfiguren verraten. Auch über Leben, Mikoto, Ami, Enoa, die anderen Dei Ex Machina sowie weitere wichtige Charaktere, erfahren wir hier mehr. Außerdem werden sämtliche Begriffe, Fakten und dergleichen im Archiv festgehalten. Das ist gerade nach einer Pause hilfreich und eine genauso sinnvolle Ergänzung wie Belohnungen für das Erreichen bestimmter Ziele und Erfolge oder der Musikplayer, in dem wir freigeschaltete Musik erneut hören dürfen.

Stimmungsvoller Stil

Technisch mag Crymachina nicht mit anderen PlayStation-5-Spielen mithalten können, dafür ist der Stil überaus stimmig und passt sehr gut zur düsteren, emotionalen Science-Fiction-Atmosphäre. Das gilt sowohl für die mechanischen Umgebungen wie für die schicken und detailreichen Charakter-Designs. Da stören dann kleinere Macken wie etwas seltsame Proportionen der Figuren in manchen Dialogszenen nicht. Zumal Animationen und Darstellungen in den actionreichen Kämpfen astrein, flüssig und effektreich sind. Genauso überzeugen kann der mal treibende, mal sanfte, mal ruhige und mal traurige Soundtrack. Crymachina versteht es, mit der Musik genau die richtige Stimmung einzufangen und so sowohl die Action als auch die emotionalen Momente perfekt zu begleiten.

Die japanische Synchronisation ist ebenfalls sehr gut und verleiht jeder Figur einen eigenständigen, zu ihrer vermittelten Persönlichkeit passende Stimme und Vertonung. Dass auf deutsche Texte verzichtet wurde, ist bei einem Nischenspiel wie Crymachina, das im Westen von NIS America veröffentlicht wird, wenig überraschend. Die englischen Texte wissen hingegen zu überzeugen, sind jedoch nicht immer leicht verständlich und erfordern entsprechende Sprachkenntnisse. Wer damit kein Problem hat und sich mit den Gameplay-Macken arrangieren kann, erhält eine vor allem atmosphärisch und erzählerisch packende, emotionale Science-Fiction-Geschichte mit großartigen Charakteren.

Fazit

Crymachina ist definitiv kein Spiel, das jedem gefallen wird. Das fängt bereits beim Grafikstil, insbesondere den Charakter-Designs, an, geht über das eher repetitive Gameplay bis hin zur philosophisch angehauchten, emotionalen Geschichte. Wer sich aber auf das Action-Rollenspiel von FuRyu und Aquira einlässt, erhält eine packende, atmosphärische Science-Fiction-Erzählung über die Suche nach der Menschlichkeit mit gut geschriebenen, vielschichtigen und sympathischen Charakteren. Sicher, Crymachina erlaubt sich gerade beim Gameplay einige Schwächen, verpackt manche Mechanik hinter einem auf den ersten Blick zu komplexen System und ist manchmal zu gewollt Tiefgründig, doch diese Schwächen können der spannenden Geschichte und den großartigen Charakteren nicht schaden. Zumal die action- und effektreichen Kämpfe angenehm kurzweilig und spaßig sind. Selbst manch nerviger Bosskampf mit Trial-and-Error-Mechaniken, ändert daran wenig. Entsprechend motiviert war ich, weiterzuspielen, um zu erfahren, was Leben, Mikoto, Ami und Enoa auf der Suche nach der Menschlichkeit erwartet und was hinter all den Geheimnissen steckt. Fans etwas anderer Action-Rollenspielen, die sich an den Schwächen nicht stören, sollten zumindest die Demo-Version ausprobieren.

Kurzfazit: Atmosphärisches Action-Rollenspiel, dessen repetitiver Spielablauf von einer düsteren, emotionalen Science-Fiction-Geschichte, toll geschriebenen Figuren und effektreichen Kämpfen aufgewogen wird.

Vielen Dank an NIS America für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Crymachina!

Details
Titel: Crymachina
Genre: Action-Rollenspiel
Publisher: NIS America, FuRyu
Entwickler: Aquira, FuRyu
Spieler: 1
Syteme: PlayStation 5 (getestet), PlayStation 4, Switch, PC
Altersfreigabe: ab 12
Erscheinungsdatum: 27. Oktober 2023

© FURYU Corporation. Licensed to and published by NIS America, Inc.