Rezension: Bayonetta Origins: Cereza and the Lost Demon (Switch)
Um die Macht zu erlangen und ihre Mutter zu befreien, begibt sich Cereza in Bayonetta Origins: Cereza and the Lost Demon in den Wald von Avalon.
Nur knapp fünf Monate nach Bayonetta 3, kehrt die namensgebende Hexe bereits mit einem neuen Spiel zurück. Bayonetta Origins: Cereza and the Lost Demon ist allerdings kein neuer Teil der Hauptreihe und geht beim Gameplay eigene Wege. Die Vorgeschichte von Bayonetta, hier noch ausschließlich als Cereza bekannt, setzt auf eine märchenhafte Präsentation und Action-Adventure-Gameplay. Ihr solltet bei dem Prequel-Spin-off also keine rasanten Kämpfe im klassischen Hack-&-Slay-Stil eines Bayonetta- oder Devil-May-Cry-Spiels erwarten. Doch gerade weil das bereits in Bayonetta 3 in einem freischaltbaren Bonus-Level angedeutete und im Dezember 2022 angekündigte Bayonette Origins: Cereza and the Lost Demon so anders ist, fasziniert es auf ganz eigene Weise.
Verbotener Wald
Bayonetta Origins: Cereza and the Lost Demon ist einige Jahre vor dem ersten Teil angesiedelt. Noch trägt Cereza nicht den Namen Bayonetta und beherrscht kaum Magie. Als Tochter der Umbra-Hexe Rosa und eines Lumen-Weisen, wird sie gemieden und ihre Mutter ist aufgrund der verbotenen Beziehung in einen Kerker gesperrt worden. Von der abgeschieden lebenden Hexe Morgana aufgenommen, lernt Cereza die Künste der Umbra-Hexen. In einem Traum verspricht ihr ein geheimnisvoller Junge, dass die Macht, ihre Mutter zu befreien, tief im Wald von Avalon verborgen liegt. Diesen darf Cereza aber unter keinen Umständen betreten. Das hat ihr Morgana immer wieder mit Nachdruck verboten. Schließlich herrschen bösartige Feen, die Kinder entführen, über den Wald. Als jedoch Cereza bei einer Beschwörung scheitert und Morgana enttäuscht wirkt, reagiert die junge Hexenschülerin trotzig, schnappt sich ihr Stofftier Cheshire und begibt sich in den verbotenen Wald.
Schon der Einstieg in Bayonetta Origins: Cereza and the Lost Demon offenbart die märchenhafte Ausrichtung des Action-Adventures. Eine Erzählerin liest die Geschichte von Cereza wie aus einem Bilderbuch vor. Die Präsentation ist entsprechend angelehnt und so erscheinen Zwischensequenzen auf den Seiten eines eben solchen Buches und wir blättern immer weiter. Dieser Kniff sorgt gemeinsam mit der malerischen, wunderschönen Optik und der zauberhaften Musik dafür, dass wir uns schnell in dem aus der leicht versetzten Draufsicht mit festen Kamerapespektiven inszenierten Action-Adventure verlieren. Gemeinsam mit der märchenhaften Geschichte gehört die Präsentation somit zu den größten Stärken der ersten Spielstunden. Das ist auch wichtig, da sich Bayonetta Origins: Cereza and the Lost Demon recht viel Zeit lässt, um Fahrt aufzunehmen. Gerade der Anfang fühlt sich zeitweise etwas zäh an, wird immer wieder von Zwischensequenzen, Dialogen und Tutorials unterbrochen und kann damit den Einstieg erschweren. Es lohnt sich aber dabei zu bleiben. Besonders weil das Action-Adventure nicht nur spielerisch, sondern auch storytechnisch deutlich anzieht und gerade zum Ende begeistern kann.
Hexe und Dämon
Als Cereza erkunden wir die verschiedenen Gebiete des Walds von Avalon. Dieser ist zu Beginn noch strikt linear, wird mit der Zeit aber etwas offener. So können wir kleine Abzweigungen nehmen, um versteckte Schatztruhen zu finden. Oder aber wir stoßen auf Hindernisse, die wir erst mit der richtigen Fähigkeit überwinden können. Gerade letzteres erinnert uns immer wieder an das Metroidvania-Genre und noch weitaus mehr an Nintendos The-Legend-of-Zelda-Reihe – und das ist ausschließlich positiv gemeint. Cereza muss sogar fünf Blätter der Lebenskraft sammeln, um ihre maximale Lebenskraft zu erhöhen. Besiegte Bosse bringen sogar eine komplette Blüte ein. Wer hier an Herzteile und -container denkt, liegt absolut richtig. Zusätzlich kann Cereza in Unterschlüpfen, die wir immer wieder im Wald entdecken, neue Talente erlernen. Die dafür notwendigen Ressourcen finden wir überall im Wald von Avalon. Selbiges gilt für ihren dämonischen Begleiter Cheshire.
Richtig, ihr Stofftier Cheshire wird recht früh im Spiel von einem Dämon übernommen. Genauer passiert das, als Cereza erstmals von Feen angegriffen wird und versucht, zu ihrem Schutz einen Dämon zu beschwören. Um zu überleben, wählt er kurzerhand das Stofftier, nach dem er anschließend benannt ist, als Gefäß. Wirkliches Interesse, Cereza zu helfen, hat der Dämon aber nicht. Vielmehr will er von ihr möglichst schnell wieder ins Inferno geschickt werden. Etwas, das Cereza nicht kann, aber vielleicht möglich ist, sobald sie die Macht des Waldes erlangt hat. Cereza und Cheshire sind ein herrlich unterschiedliches Duo, das eine rein zweckmäßige Partnerschaft eingeht. Umso interessanter und oft witziger sind die Gespräche und Interaktionen der beiden. Es ist offensichtlich, dass sie immer mehr zusammenwachsen und ihre Beziehung gehört genauso wie sie selbst zu den großen Stärken des Action-Adventures. Sehr schön ist auch, dass Cheshires Dialoge von der Erzählerin mit verstellter Stimme wiedergegeben werden, während Cereza selbst vertont ist. Dabei sind sowohl die englische als auch die japanische Synchronisation sehr gut und auch die deutschen Texte sind überaus gelungen.
Zwei Charaktere gleichzeitig
Mit Cereza und Cheshire haben wir zwei Charaktere, die wir gleichzeitig spielen müssen. Cereza kontrollieren wir dabei über den linken Joycon beziehungsweise die linke Hälfte des Controllers, während Cheshire rechts zugeordnet ist. Bedeutet, wir bewegen Cereza mit dem linken und Cheshire mit dem rechten Analog-Stick. Auch Schultertasten, Steuerkreuz und Buttons sind entsprechenden Aktionen der jeweiligen Figuren zugeordnet. Das mag anfangs etwas verwirrend und kompliziert wirken und benötigt etwas Eingewöhnungszeit, funktioniert aber mit der Zeit immer besser und intuitiver. Vollkommen haben wir uns zwar nie daran gewöhnen können, hatten aber auch keine Spielspaß einschränkenden Probleme dadurch. Zumal wir Cheshire jederzeit in den Knuddel-Modus rufen können. Dann ist er lediglich ein Stofftier, das Cereza im Arm hält und vor sich ausstrecken kann, um etwa entfernte Gegenstände einzusammeln oder an bestimmten Stellen Objekte zu greifen, um über einen Abgrund zu springen.
In Kämpfen ist es jedoch essentiell, dass wir Cheshire nutzen, da Cereza sich kaum verteidigen kann. Die Hexenschülerin beherrscht lediglich einen Zauber, mit dem sie Gegner kurzzeitig fesseln kann. Angriffe muss Cheshire ausführen. Entsprechend agieren wir mit beiden Charakteren zugleich, weichen Gegnern aus, fesseln diese, greifen an und kämpfen so kooperativ, obwohl wir alleine sind. Da Cheshire über keine Lebensenergie verfügt, kann er nicht sterben. Dafür kann seine Magie zur Neige gehen. Ist das der Fall, kehrt er zeitweise in den Knuddel-Modus zurück, um zu regenerieren. Doch auch hier können wir, sobald erlernt, auf einige Talente und Fähigkeiten zurückgreifen, um uns zu verteidigen. Allgemein wird unser Repertoire an Möglichkeiten immer größer, was die Motivation stets erhält. Angesichts des insgesamt nie übermäßig fordernden Schwierigkeitsgrades und einiger optionaler Einstellungen und Spielhilfen, wird die zwangsweise erforderliche Bedienung beider Figuren im Kampf nie problematisch.
Gemeinsames Erkunden & Rätseln
Doch die Kämpfe sind nicht alle Situationen, in denen Cereza und Cheshire zusammenarbeiten müssen. Beim Erkunden des Waldes müssen wir immer wieder kleine, meist eher simple Rätsel und Puzzle lösen, die auf die Fähigkeiten beider Charaktere setzen. So nutzt Cereza beispielsweise ihren Zauber, der mit einer leichten Geschicklichkeitsaufgabe verbunden ist, oder Cheshire bahnt uns mit seinen Klauen den Weg. Regelmäßig müssen sich die beiden sogar trennen und abweichenden Wegen folgen, weil wir sonst nicht vorankommen. Hier versteht es das Action-Adventure, die Dualität von zwei Figuren fast perfekt auszunutzen. Außerdem erlernt Cheshire mit der Zeit neue Elementar-Fähigkeiten, die es uns ermöglichen neue Wege zu öffnen und die auch in Kämpfen Vorteile bringen können. Wir sind sogar oft darauf angewiesen, aktiv zwischen den Elementen zu wechseln, um Gegner zu bezwingen, Rätsel zu lösen oder Hindernisse zu beseitigen. Nur wenn wir alle Möglichkeiten nutzen, können wir auch alle optionalen Sammelobjekte finden.
Außerdem ist der gekonnte Einsatz aller Fähigkeiten von Cereza und Cheshire in den Tír na nÓg notwendig. Dabei handelt es sich um kleine Mini-Dungeons, vergleichbar mit den Schreinen aus The Legend of Zelda: Breath of the Wild. Während einige Tír na nÓg notwendig sind, um in der Geschichte weiterzukommen, sind andere optional. Da die Tír na nÓg jedoch oft den Zugang zu Bereichen versperren, Illusionen im Wald erschaffen und nach Beenden neue Details auf der Karte enthüllt werden, lohnt es sich, möglichst viele der Mini-Dungeons zu absolvieren. Die Aufgaben fallen dabei angenehm unterschiedlich aus. Während einige Tír na nÓg von uns lediglich verlangen alle Gegner zu lösen, setzen andere auf Rätsel oder Geschicklichkeitsaufgaben. Dadurch sind sie angenehm abwechslungsreich und motivieren uns, trotz manch nervigem Abschnitt, immer wieder. Schließlich wollen wir auch die Truhen in den Tír na nÓg finden. Beinhalten einige davon lediglich Zutaten zum Brauen, Ressourcen für neue Talente oder Tränke, finden wir oft auch ein Blatt der Lebenskraft. Spätestens hier wird deutlich, wie sinnvoll es ist, sich den Tír na nÓg zu stellen. Bereits abgeschlossene Tír na nÓg können wir jederzeit am Speicherpunkt eines Unterschlupfs erneut angehen. Etwa, wenn wir einen Schatz verpasst haben. Zusätzlich dürfen wir uns Herausforderungen in den Tír na nÓg stellen und so zusätzliche Belohnungen verdienen.
Wie bereits erwähnt, setzt Bayonetta Origins: Cereza and the Lost Demon auf einen malerischen, einzigartigen Grafikstil, der gemeinsam mit der stimmungsvollen Musik hervorragend die Märchen-Stimmung des Spiels einfängt. Die audiovisuelle Präsentation unterstreicht die Bilderbuch-Atmosphäre und verleiht dem Action-Adventure einen hohen Wiedererkennungswert.Bayonetta Origins passt sehr gut zur Reihe und ist zugleich überaus Selbständig. Egal ob ihr bereits ein Bayonetta-Spiel gespielt habt oder nicht, Cerezas Abenteuer bietet eine spaßige, motivierende und erzählerisch starke Erfahrung mit einer sympathischen Protagonistin und ihrem widerwilligen Dämonenbegleiter.
Fazit
Als Bayonetta-Fan war ich sehr gespannt, was mich bei dem so andersartigen Bayonetta Origins: Cereza and the Lost Demon erwartet. Anfangs hatte ich einige Schwierigkeiten mit dem Action-Adventure. Die Geschichte kommt nur langsam in Fahrt und die Steuerung von zwei Charakteren ist mir schwerer gefallen als erwartet. Doch ich bin froh, dass ich mich von den ersten Stunden nicht demotivieren lassen habe. Kaum hatte ich mich an das Gameplay gewöhnt, bin ich noch mehr als bereits zuvor von Optik und Musik in die malerische Welt des Prequel-Abenteuers gezogen worden. Der Wald von Avalon bietet einen faszinierenden Schauplatz, der in malerischer Bilderbuch-Grafik präsentiert wird. Zudem gefällt mir die erzählte Geschichte wirklich gut. Cereza und Cheshire sind ein sympathisches Gespann, das den Charme des Spiels nur noch mehr unterstreicht. Dank abwechslungsreicher Aufgaben und gelungener Kämpfe bleibt die Motivation zudem bis zum starken Ende erhalten. Alle Bayonetta- und Action-Adventure-Fans sollten Bayonetta Origins: Cereza and the Lost Demon eine Chance geben und zumindest reinspielen.
Kurzfazit: Charmantes Action-Adventure, das mit einer märchenhaften Geschichte, sympathischem Protagonisten-Duo, interessantem Gameplay und malerischer audiovisueller Präsentation trotz kleiner Einstiegschwierigkeiten viel Charme und Spielspaß bietet.
Vielen Dank an Nintendo für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Bayonetta Origins: Cereza and the Lost Demon!
Details
Titel: Bayonetta Origins: Cereza and the Lost Demon
Genre: Action-Adventure
Publisher: Nintendo
Entwickler: Platinum Games
Spieler: 1
Syteme: Switch (getestet)
Altersfreigabe: ab 12
Erscheinungsdatum: 17. März 2023
© Nintendo © SEGA Published by Nintendo