Rezension: Belle (Blu-ray)
Oberschülerin Suzu wird in Belle zum Star der virtuellen Welt und muss sich ihren persönlichen Problemen stellen.
Seit dem Tod ihrer Mutter ist die 17-jährige Suzu ein in sich gekehrtes, stilles und unscheinbares Mädchen. Die einstige Liebe zur Musik kann sie nicht mehr ausleben, da ihre Stimme beim Versuch zu singen versagt. Auch die Beziehung zu ihrem Vater ist nur noch oberflächlich, da sich die Schülerin komplett zurückzieht. Als sie sich eines Tages bei der Plattform „U“, einer virtuellen Welt mit mehr als fünf Milliarden Nutzern, anmeldet, wird die schüchterne Suzu als schöne und anmutige Belle bald zum neuen Internet-Star. Ihr Gesang erfüllt „U“ und Fans warten begeistert auf Konzerte jener Schönheit, deren wahre Identität ein Geheimnis ist. Schon bald wird ihr Erfolg jedoch vom Auftauchen des Biests überschattet. Ein U-Nutzer mit monsterhafter Gestalt, der den Frieden der scheinbar perfekten virtuellen Welt stört. Fasziniert von dem Unruhestifter, versucht Suzu alias Belle die Geheimnisse um das Biest aufzudecken.
Virtuelles Märchen
Schon bei der Beschreibung von Belle sollte auffallen, dass sich Regisseur und Autor Mamoru Hosoda bei seinem neuen Film von „Die Schöne und das Biest“ hat inspirieren lassen. Übertragen auf eine riesige virtuelle Welt und mit reichlich Coming-of-Age-Drama versehen, präsentiert sich Belle zugleich als modernes Märchen und Geschichte über das Erwachsenwerden, überwinden von Schmerz und wird zusätzlich mit gesellschafts- und sozialkritischen Themen wie dem Umgang mit sozialen Medien, Missbrauch oder Mobbing angereichert. Obwohl sich daraus ein faszinierendes Filmerlebnis nicht nur für Anime-Fans entwickelt, sind die vielen Einzelteile von Belle auch eine der größten Schwächen des Films. Da nicht jedes Thema in der Laufzeit von knapp zwei Stunden voll ausgearbeitet und behandelt werden kann, wirken manche Handlungsbögen, als wären sie einfach nur in den Raum geworfen worden, damit sie dabei sind. Auch bei der Auflösung einiger Erzählstränge bleibt Belle hinter den Möglichkeiten zurück, wodurch manche Figuren, aber auch Auflösungen etwas blass bleiben. Aber nicht falsch verstehen, der Unterhaltung schadet das kaum, da Belle als Gesamtwerk einfach zu faszinierend ist.
Zu verdanken ist das vor allem der hervorragend erzählten Haupthandlung rund um Suzu und ihr Dasein als Belle sowie ihre Versuche, das Geheimnis des Biests herauszufinden. Zwar sind die anderen Handlungsstränge eng miteinander verknüpft, da Suzu alias Belle der Mittelpunkt von allem ist, dennoch versteht es Mamoru Hosoda in seinem neuen Film vor allem mit dem Aufbau einer interessanten Verknüpfung von virtuellen Welten mit klassischen Märchen zu überzeugen. So ist Suzu zu Beginn des Films eine unscheinbare, schüchterne Oberschülerin, die seit dem Tod ihrer Mutter nicht mehr singen kann. Erst in den virtuellen Weiten von „U“ erhält sie die Möglichkeit, ihre Stimme wieder mit Liedern erklingen zu lassen und schafft es so zum Internet-Star. Dabei setzt der Film allerdings gerade im ersten Viertel auf eine etwas holprige Erzählweise inklusive unschön platziertem Zeitsprung. Danach gelingt es Belle aber mit einer schönen Geschichte sowie dem stets präsenten, hervorragend ins deutsche übertragenen Soundtrack zu faszinieren und fesseln. Sicher, die Handlung ist in vielen Teilen nicht unbedingt neu oder einfallsreich, aber die Verbindung der einzelnen Elemente sorgt dafür, dass sich Belle angenehm frisch anfühlt.
Faszination mit Schwächen
Dadurch stört es auch nicht, dass der Film die Möglichkeiten von „U“ insgesamt zu wenig nutzt. Auch der blasse Antagonist, der einfach nur vorhanden zu sein scheint, damit es einen Gegenspieler gibt, kann den Unterhaltungswert nur bedingt senken. Zu verdanken ist das Mamoru Hosodas gelungener Inszenierung und Erzählweise. Virtuelle Welten werden mit stimmungsvoller Musik sowie einer gelungenen Dramageschichte auf gekonnte Weise verknüpft, so dass die vorhandenen Schwächen des Films beim Ansehen nur bedingt auffallen. Zwar reicht Belle damit nicht ganz an vorherige Werke des Regisseurs heran, ist aber trotz gemeinsamer Themen anders als etwa Der Junge und das Biest, Mirai: Das Mädchen aus der Zukunft oder Ame & Yuki: Die Wolfskinder. Auffällig ist, dass Mamoru Hosoda mit „U“ nach „Oz“ aus Summer Wars erneut eine virtuelle Welt als zweiten Schauplatz für seine Geschichte nutzt.
Leider bleiben die Möglichkeiten von „U“ weitgehend ungenutzt und die digitale Plattform bleibt etwas blass. Gerade mit Blick darauf, dass „U“ über fünf Milliarden Nutzer hat und komplette Freiheit bietet. Angesichts der Geschichte ist das aber in Ordnung. Auch das nicht vollkommen zufriedenstellende Ende kann mit Blick auf die Handlung und den Unterhaltungswert funktionieren. Dennoch wäre es schön gewesen, wenn ein paar offene Fragen beantwortet und lose Handlungsstränge zu Ende geführt worden wären. Zudem wirkt gerade die Auflösung des größten Rätsels und Problems derart konstruiert, dass fast schon die Spannung verloren geht. Hier ist es vor allem Suzu zu verdanken, dass der Abschluss dennoch nicht komplett misslungen ist. Doch auch hier gilt: Belle ist und bleibt ein faszinierendes Filmerlebnis, dessen Schwächen nichts am Unterhaltungswert ändern können. Zu verdanken ist das auch den schönen und flüssigen Animationen sowie der erstklassigen deutschen Vertonung. Gerade, dass auch die Lieder von Suzu- und Belle-Sprecherin Lara Trautmann neu eingesungen wurden, sorgt dafür, dass sich Belle nicht nur an Anime-Fans richtet, sondern auch einem breiten Publikum zugänglich ist und Anklang bei diesem finden dürfte. Verdient hätte es der Film.
Fazit
Es ist sicherlich bereits aufgefallen, dass ich bei Belle ein wenig hin und hergerissen bin. Mamoru Hosodas neuer Film hat mich wirklich gut unterhalten, ja sogar oft fasziniert und mitgerissen. Dennoch erlaubt sich das Coming-of-Age-Science-Fiction-Drama so viele Patzer, dass es schwer fällt, eine rein positive Rezension zu verfassen. Blasse Charaktere, unnütze Handlungsstränge und mäßige Auflösungen kratzen deutlich am ansonsten großartigen Filmerlebnis. Hier wäre teilweise vielleicht Verzicht und Fokussierung besser gewesen. Oder aber der Film hätte ein paar Minuten länger sein müssen, um mit wenigen zusätzlichen Szenen die Schwächen auszubügeln. Aber bitte versteht mich nicht falsch: Belle ist trotz allem ein wirklich schöner Film, den ich nur empfehlen kann. Dank der hochwertigen deutschen Umsetzung inklusive Übersetzung der Lieder gilt das nicht nur für Anime-Fans, sondern für alle, die gerne schöne Animations- und Zeichentrickfilme mit ernsten Themen sehen.
Kurzfazit: Trotz Schwächen, faszinierendes und unterhaltsames Coming-of-Age-Science-Fiction-Drama, das dank hochwertiger deutscher Umsetzung nicht nur Anime-Fans gefallen wird.
Vielen Dank an KSM Anime für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Belle!
Details
Titel: Belle
Originaltitel: Ryū to Sobakasu no Hime
Genre: Drama, Coming of Age, Science-Fiction
Regie: Mamoru Hosoda
Studio: Chizu, Inc.
Produktionsjahr: 2021
Laufzeit: ca. 121 Minuten (Blu-ray), ca. 116 Minuten (DVD)
Sprachen: Deutsch, Japanisch
Untertitel: Deutsch
Extras (Standard Edition): 3 Artcards, Interview mit Mamoru Hosoda, japanischer & deutscher Trailer, TV-Spot, Trailershow, Bildergalerie
Extras (Ultimate Edition): deutsche & japanische Soundtrack-CD, Bonus Blu-ray mit ca. 6 Stunden Material (Interviews, Making-of etc.), Booklet, Songtext-Booklet, 5 3D-Lenticular-Cards, 3 Artcards, Magnet Poster, Kinoposter
Herkunftsland: Japan
Altersfreigabe: ab 12
Erscheinungstermin (Ultimate Edition): 04. August 2022
Erscheinungstermin (Standard Edition): 08. September 2022
Herstellershop: Belle bei Anime Planet
© Studio Chizu / KSM Anime