Rezension: Steelrising (Xbox Series X)
Eine automatische Kriegerin kämpft in Steelrising im Jahr 1789 gegen die mechanische Bedrohung des französischen Königs.
Frankreich im Jahr 1789. Es herrscht Unzufriedenheit in der Bevölkerung. König Ludwig XVI. setzt den Menschen mit neuen Steuern zu. Als sich eine Revolution anbahnt, wird diese jedoch von den Automaten des Königs brutal und blutig niedergeschlagen. Ohne Gnade werden Männer, Frauen und Kinder von der mechanischen Armee getötet. Im Auftrag von Königin Marie Antoinette, ist es an deren Leibwächterin Aegis, ebenfalls ein Automat, die Machenschaften von Ludwig XVI. und seines einzigen verbliebenen Vertrauten und Beraters, des Comte de Cagliostro, zu vereiteln. In dieser alternativen und überaus interessanten Version der französischen Revolution ist das Souls-like Steelrising von Greedfall-Entwicklerstudio Spiders angesiedelt. Dabei setzt Steelrising auf bekannte Genre-Elemente und vermischt sie gekonnt mit eigenen Ideen.
Mechanisches achtzehntes Jahrhundert
Das wahrscheinlich größte Alleinstellungsmerkmal von Steelrising ist das oben beschriebene Setting. Besonders, weil die auf Zahnrädern, mechanischen Konstrukten und somit im Groben der Uhrmacherei basierenden Automaten perfekt in die Zeit passen. Ganz ohne übernatürliche Note kommt das Action-Rollenspiel dabei zwar nicht aus, doch auch das fügt sich hervorragend in das Gesamtbild ein. Damit präsentiert Steelrising eine glaubhafte alternative Version von Paris im Jahr 1789. Eine Zeit, in der Automaten – die im Endeffekt auch als Roboter bezeichnet werden können – eine Errungenschaft der Technologie sind.
Das gilt besonders für Aegis, die Protagonistin von Steelrising und unsere Spielfigur. Als Leibwächterin von Marie Antoinette, werden wir von der Königin beauftragt, die Machenschaften des Königs zu beenden und mehr über geheimnisvolle Vorkommnisse in Paris herauszufinden. Gerade, weil auch wir keinen menschlichen Charakter steuern, können wir uns noch besser in die mechanische Welt von Steelrising einfühlen. Dabei ist Aegis etwas Besonderes. Im Gegensatz zu anderen Automaten kann sie nicht nur sprechen, sondern auch selbstständig denken und auf diese Weise Entscheidungen fällen und sich aktiv an der gelungenen Geschichte des Action-Rollenspiels beteiligen. Hier zeigt sich ein weiteres Merkmal von Steelrising: Statt wie andere Souls-likes auf eine kryptische Erzählung zu setzen, bietet uns Spiders eine klar definierte Handlung. Dafür setzt das französische Studio auch auf verschiedene Nebencharaktere, Dialoge und kleinere Entscheidungen sowie Nebenquests, die uns mehr über die Ereignisse in Paris verraten und eng mit den Figuren, denen wir begegnen, verknüpft sind. Hier fühlt sich Steelrising wie ein klassisches Rollenspiel an.
Herausfordernde Automaten
Als Schauplatz für Steelrising dient passend zum Szenario das von der Unterdrückung durch die Automaten gezeichnete Paris. Entsprechend düster sind die Umgebungen selbst am Tag. Überall liegen Leichen, Gebäude sind zerstört oder brennen, provisorische Barrikaden versperren den Weg und wenige Überlebende suchen Zuflucht in Gebäuden. Abgesehen von den handlungsrelevanten Charakteren, begegnen wir niemandem direkt. Lediglich an einigen vorgegebenen Orten können wir Gesprächen lauschen und kleine Aufträge, die nicht als Quests gelten, annehmen. Das unterstreicht zusätzlich die bedrohliche Stimmung, die allgegenwärtig ist und die Angst, die sich in der Bevölkerung verbreitet hat. Als Automat wird natürlich auch Aegis oft skeptisch gesehen und nur mit Vorsicht begegnet.
Verweist sind die nicht direkt zusammenhängenden, aber sehr weitläufigen Gebiete von Paris aber nicht. Zahlreiche Automaten streifen durch die Straßen und greifen uns bei Sichtkontakt sofort an. Ganz Souls-like erwarten uns knackige Kämpfe, bei denen selbst Standardgegner schnell unser Ableben bedeuten, wenn wir nicht vorsichtig sind. Grundlegend setzt Steelrising auf genretypische Systeme. Mittels den rechten Schultertasten führen wir leichte und starke Angriffe aus, wir weichen auf Knopfdruck aus und müssen auf unsere Überhitzungsleiste, die nichts anders als unsere Ausdauer darstellt, achten. Übertreiben wir es, haben wir die Chance schnell abzukühlen, wenn wir im richtigen Moment den Y-Knopf drücken. Allerdings nehmen wir dabei Eisschaden und frieren im schlimmsten Fall kurz ein. Ein wichtiger Faktor, den wir unbedingt im Blick behalten müssen.
Kämpfe mit Anpassungen
Großen Einfluss auf die Kämpfe haben außerdem die Waffen. Je nachdem ob wir eine schwere, mittlere oder leichte Waffe schwingen, greift Aegis mit unterschiedlicher Geschwindigkeit an. Zusätzlich haben die verschiedenen Waffenarten ihre Eigenheiten. So hat der Fächer beispielsweise eine recht kurze Reichweite, ist aber deutlich schneller als etwa eine Hellebarde. Zusätzlich hat jede Waffe eine Spezialtechnik, die wir mit der linken hinteren Schultertaste auslösen. Dabei kann es sich etwa um einen Schild zur Abwehr, eine Parierfähigkeit, Distanzangriffe oder elementare Aktionen handeln. Hier wartet Steelrising mit zahlreichen Unterschieden auf, durch die selbst ähnliche Waffen sich ausreichend unterscheiden und uns vor die richtige Wahl stellen. Immerhin dürfen wir zwei unterschiedliche Waffen gleichzeitig ausrüsten und jederzeit zwischen ihnen wechseln. Auf diese Weise ist es etwa möglich, fließend zwischen Nah- und Fernkampf zu wechseln oder unsere Angriffe leichter an Elementschwächen von Gegnern anzupassen.
Eine Besonderheit von Steelrising ist der optionale Spielhilfe-Modus. Diesen dürfen wir jederzeit über die Optionen aktivieren und den Schwierigkeitsgrad etwas anpassen. So dürfen wir einstellen, um wie viel Prozent der Schaden gemindert wird. Hier ist es sogar möglich, dafür zu sorgen, dass Aegis gar keine Lebenspunkte mehr verliert. Auch der Verlust der Anime-Essenzen nach unserem Tod, kann deaktiviert werden. Zudem können wir das Wiederherstellungstempo unserer Ausdauer erhöhen und dafür sorgen, dass jede leichte Abkühlung als perfekt gilt. Souls-like-Fans werden sicherlich kaum Interesse an den Spielhilfen haben, aber Genre-Neulinge und Rollenspiel- sowie Story-Fans, die am Szenario von Steelrising interessiert sind, können auf diese Weise Aegis’ Geschichte ebenfalls problemlos erleben. Einziges Manko: sobald der Spielhilfen-Modus aktiviert wurde, können keine schwierigkeitsabhängigen Erfolge mehr freigeschaltet werden.
Beeinflussbarer Spielstil
Allgemein haben wir einige Möglichkeiten, Aegis an unseren bevorzugten Spielstil anzupassen. Die beim Spielstart erfolgte Waffenwahl ist nicht dauerhaft und eine feste Klasse ist somit nicht gegeben. Stattdessen hängt es von der gewählten Ausrüstung, zu der auch Hüte, Obergewand, Beinkleid und Schuhe zählen, sowie den verbauten Modulen und Attribute ab, über welche Stärken und Schwächen Aegis verfügt. So gewähren uns Module, von denen wir nach Freischaltung bis zu vier ausrüsten können, zusätzliche passive Fähigkeiten wie erhöhte Blitzresistenz oder einen Bonus auf unsere Ausdauer. Ähnliches gilt für Kleidungsstücke, die unterschiedliche Werte für zum Beispiel Panzerung, Balance oder Beutemultiplikator haben.
Als Währung in Steelrising dienen Anima-Essenzen, die wir unter anderem durch das Besiegen von Gegnern erhalten. Damit können wir an den Vestalin genannten Ruheorten Aegis’ Attribute verbessern. Wie im Genre üblich, bedeutet jede Wertsteigerung einen Levelaufstieg und jedes Mal werden mehr Anima-Essenzen benötigt, um ein Attribut zu verbessern. Da Waffen direkt mit bestimmten Attributen verbunden sind, ist es wichtig, Aegis’ Charakterwerte mit Bedacht auf unseren bevorzugten Spielstil zu verbessern. Setzen wir vorwiegend auf wuchtige Waffen, benötigen wir eine hohe Kraft. Für Elementarangriffe ist hingegen der Elementare-Alchemie-Attribut relevant. Hier bleibt Steelrising recht klassisch, aber das ist keineswegs negativ, sondern fügt sich gut in das Gameplay ein. Selbiges gilt für das Verbessern unserer Waffen. Neben Materialien benötigen wir auch hierfür Anima-Essenzen. Da wir diese auch in den Boutiquen jedes Vestalins ausgeben können, müssen wir mit Bedacht die Währung in das investieren, was wir gerade benötigen.
Klare Stärken, wenige Schwächen
Dank knackiger Bosskämpfe, zahlreichen Erkundungsmöglichkeiten und den bereits erwähnten eng mit der Geschichte verbundenen Nebenquests, haben wir nicht nur immer was zu tun, sondern kehren auch in bereits abgeschlossene Gebiete zurück. Nicht selten können wir nicht alle Orte bei unserem ersten Besuch erreichen. Erst mit der Zeit schalten wir neue Fähigkeiten frei. Hier erinnert Steelrising fast an ein Metroidvania und nicht selten haben wir darüber gegrübelt, wie wir ein bestimmtes Hindernis überqueren können und haben später festgestellt, dass wir noch nicht das richtige Werkzeug dafür hatten. Zwar haben wir nach einiger Zeit das System dahinter durchschaut und es ist offensichtlich, wenn wir später an einen Ort zurückkehren müssen, doch dank zahlreicher Abkürzungen und des hervorragenden Leveldesigns, hat uns das nie gestört. Alleine deshalb schon, weil wir stets mehr über die Geschichte und die Charaktere erfahren haben und Paris immer weiter erkunden konnten. Dabei greifen alle Faktoren von Steelrising wunderbar zusammen. Angefangen bei der spannenden Geschichte über das individuelle Setting und die fordernden Kämpfe bis hin zum motivierenden Erkunden, erschafft das Action-Rollenspiel einen spaßigen Spielfluss, der uns über Stunden nicht mehr losgelassen hat. Daran können auch die kleinen Schwächen wenig ändern.
Diese liegen vor allem auf der technischen Seite des Souls-likes. Das lediglich für Xbox Series X|S, PlayStation 5 und PC erscheinende Action-Rollenspiel sieht auf den ersten Blick wirklich schick aus. Atmosphärische, detailreiche Umgebungen, ansehnliche Effekte und tolle Gegnerdesigns garantieren eine wahre Augenweide. Abstriche musste Spiders aber offensichtlich bei den menschlichen Figuren machen. Gerade Gesichter sehen in Zwischen- und Dialogsequenzen unschön aus. Dazu gesellen sich selbst im auf die Bildwiederholrate priorisierenden Grafikmodus gelegentliche Ruckler und Framerateeinbrüche. Zwar passiert das nur selten, aber durchaus spürbar. Wirklich Spielspaß beeinträchtigend war das glücklicherweise nie. Dennoch hatten wir in manchen Kämpfen kleinere Probleme aufgrund der nicht konstanten Bildwiederholrate. Davon abgesehen, bleibt Steelrising ein überaus schickes Spiel, das stimmungsvolle Optik bietet und auch beim Sound überzeugen kann. Selbiges gilt für die englische Vertonung, die mit gut geschriebenen deutschen Texten versehen ist.
Fazit
Obwohl ich nicht der größte Souls-like-Fan bin, hat Steelrising mit dem ungewöhnlichen Szenario der alternativen Version der französischen Revolution, früh mein Interesse geweckt. Die Vermischung der historischen Ereignisse mit mechanischen Automaten ist eine reizvolle Idee und hat mich auch schnell in ihren Bann gezogen. Besonders bei Geschichte, Atmosphäre und der Nutzung des Settings, versteht es Steelrising beinah sofort zu überzeugen und mit spannenden Ideen Neugier zu wecken. Das spaßige und fordernde Gameplay hat schließlich dafür gesorgt, dass ich stundenlang an die Konsole gefesselt war. Jeden noch so kleinen Winkel der Pariser Gebiete wollte ich erkunden, jede Nebenquest erfüllen und sämtliche Geschichten erleben. Hier spielt Steelrising auch die größten Stärken und Besonderheiten aus. Erinnert das neue Spiel von Spiders oft an andere Genrevertreter, sind es das Szenario und die Handlung, die dem Spiel gemeinsam mit einigen Gameplay-Elementen eine eigene Identität verleihen. Dank des Spielhilfe-Modus ist Steelrising zudem weitaus zugänglicher als andere Souls-likes. Doch unabhängig, ob Genre-Neuling oder Profi, Steelrising sollte sich jeder Action-Rollenspiel-Fan genauer ansehen. Aegis’ Abenteuer ist mehr als nur ein Geheimtipp!
Kurzfazit: Motivierendes Souls-like-Action-Rollenspiel mit individuellem Szenario, spannender Geschichte und spaßigen Kämpfen, das dank optionaler Spielhilfen sehr zugänglich ist.
Vielen Dank an Nacon für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Steelrising!
Details
Titel: Steelrising
Genre: Action, Rollenspiel
Publisher: Nacon
Entwickler: Spiders
Spieler: 1
Syteme: Xbox Series X|S (getestet), PlayStation 5, PC
Altersfreigabe: ab 16
Erscheinungsdatum: 08. September 2022
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