Rezension: Aya und die Hexe

Als die junge Waise Aya gegen ihren Willen adoptiert wird, landet sie in Aya und die Hexe in einem magischen Haus.

Seit Aya als Baby auf der Schwelle eines Waisenhauses abgelegt wurde, führt das mittlerweile zehnjährige, aufgeweckte, schlagfertige und furchtlose Mädchen ein schönes Leben. Irgendwie schafft sie es immer, alle nach ihrer Pfeife tanzen zu lassen. Deshalb gesteht sie auch harte Verstöße gegen die Hausordnung bereitwillig und auf eine verschlagene Art, dass sie selbst die Heimleiterin um den Finger wickeln kann. Als jedoch eines Tages eine gruselige Frau in Begleitung eines noch einschüchternden Mannes auftaucht und kurzerhand beschließen Aya zu adoptieren, wird sie erstmals in ihrem Leben gegen ihren Willen zu etwas gezwungen. Da es sich bei Bella, ihrer neuen Adoptivmutter, um eine Hexe handelt, hofft Aya selbst das magische Handwerk zu erlernen. Doch für Bella ist das Mädchen nichts weiter als eine Gehilfin für niedere Tätigkeiten. Zudem muss darauf geachtet werden, den Ruhe liebenden Mandrakus, der mit Dämonen kommuniziert, nicht zu verärgern. Gefangen im Haus, findet Aya in der sprechenden Katze Thomas einen Verbündeten.

Magische Adoption

Aya und die Hexe ist der erste neue Film des beliebten Studio Ghibli seit Erinnerungen an Marnie aus dem Jahr 2014. Das 2020 in Japan erstmals gestartete TV-Special basiert wie bereits Das wandelnde Schloss auf einer Vorlage von Diana Wynne Jones, die jedoch vor Vollendung der im Original Earwig and the Witch betitelten Geschichte gestorben ist. Dieser Umstand fällt besonders zum Ende des Films auf, da dieses recht plötzlich und etwas zu offen wirkt. Bis dahin bietet Aya und die Hexe aber schöne und zauberhafte Anime-Unterhaltung, die besonders von den lebhaften Figuren getragen wird.

Im Mittelpunkt steht natürlich Protagonistin und Titelheldin Aya. Zu Beginn des Films wird sie von ihrer Mutter, die sich auf der Flucht vor Hexen befindet, auf der Schwelle eines Waisenhauses abgelegt. Da der Heimleiterin der Name Earwig für das Mädchen zu seltsam ist, tauft sie sie kurzerhand Aya. Anschließend springt die Geschichte direkt zur zehnjährigen Aya, die gemeinsam mit ihren Freunden aus dem Waisenhaus den Nachbarn als Geister verkleidet, einen gehörigen Schrecken einjagen. Aya dringt sogar mit ihrem besten Freund Pudding in den Glockenturm ein, was ganz sicher verboten ist. Hier zeigt sich bereits die abenteuerlustige, furchtlose Seite der Hauptfigur. Doch Aya ist noch weitaus mehr. Sie ist schlagfertig, durchtrieben und manipulativ. Allerdings niemals böswillig. Tatsächlich ist Aya ein wenig idealisiert und zeigt keine wirklichen Schwächen. Vielleicht von ihrer manchmal etwas frechen, aber immer liebenswerten und witzigen Eigenart abgesehen. Das mag nicht unbedingt realistisch sein, trägt aber viel zum Unterhaltungswert des Films bei. Schließlich handelt es sich bei Aya und die Hexe in erster Linie um einen Fantasy-Comedy-Filme, der maßgeblich von der kurzweiligen, witzigen und fröhlichen Stimmung lebt.

Magisches Abenteuer

Selbst die nicht unbedingt freundliche Hexe Bella ändert daran nichts. Egal wie harsch sie Aya gegenüber ist, wie oft sie damit droht das Mädchen Würmer essen zu lassen oder welche harten Aufgaben sie der Protagonistin gibt, Bella wirkt niemals wie eine klassische Antagonistin. Vielmehr ist sie einfach eine verbitterte Hexe, die sich vor Mandrakus Wutausbrüchen fürchtet und wenig Freundlichkeit zu vergeben hat. Gerade das sorgt natürlich dafür, dass Aya sich ihr starrköpfig entgegenstellt und sämtliche Arbeiten nur widerwillig verrichtet. Und auch Mandrakus ist trotz seiner scheinbar dämonischen und einschüchternden Art niemals ein direkter Bösewicht. Vielmehr scheint er nur seine Ruhe haben zu wollen. Hier fällt bereits auf, dass Aya und die Hexe weitaus mehr ein Familienfilm ist und die Geschichte eine angenehme Kurzweiligkeit hat. Das wird aber nicht jedem gefallen. Da Ayas größtes Abenteuer ist, sich in ihrem neuen Leben mit einer Hexe und einem gruseligen Mann zurecht zu finden, bleiben wirklich dramatische oder gefährliche Situationen aus. Dem Unterhaltungswert schadet das jedoch zu keiner Zeit.

Zu verdanken ist das besonders der amüsanten, detailverliebten Inszenierung. Regisseur Gorō Miyazaki versteht es jede Szene mit der richtigen Wirkung umzusetzen und die Geschichte interessant zu erzählen. Dazu tragen auch die voller kleiner Details steckenden Umgebungen bei. Wenn Aya etwa erstmals Bellas Hexenküche betritt, ist ihre Reaktion auf den Gestank schon beim ersten Blick vollständig nachzuvollziehen. Alleine die optische Darstellung des Schmutzes und der herumliegenden Gegenstände, vermitteln wunderbar wie es in dem Raum riechen muss. Ähnlich gut umgesetzt sind die Charaktere. Sicher, CGI-Anime gefallen nicht jedem, doch Aya und die Hexe ist optisch wirklich gelungen – und das, obwohl die Haut der Figuren wieder einmal viel zu glatt wirken und die Haare fast an Plastik oder Knete erinnern. Wahrscheinlich ist dieser Stil sogar bewusst gewählt. So lässt sich auch erklären, weshalb die optische Umsetzung so gut zum Film passt. Besonders bei der Mimik und den Animationen brilliert Aya und die Hexe zudem und lässt die Charaktere lebendig, wenn auch manchmal bewusst überzeichnet und dadurch noch witziger, erscheinen. Abgerundet wird der hervorragende audiovisuelle Eindruck von einem passenden Soundtrack, bei dem besonders das Lied Don’t Disturb Me der Story-Band Earwig eine große Rolle spielt, sowie der ausgezeichneten deutschen Synchronisation. Damit ist Aya und die Hexe ein kurzweiliger, magischer Spaß für die ganze Familie, der aber ein wenig unter dem plötzlichen, aber trotzdem durchaus schönen Ende leidet.

Fazit

Nach langer Wartezeit ist endlich mit Aya und die Hexe ein neuer Film von Studio Ghibli erschienen. Das TV-Special mag nicht an die großen Klassiker des Anime-Studios heranreichen, kann sich aber dennoch gut in die Liste der Ghibli-Werke einreihen. Wie schon Das wandelnde Schloss stammt die Vorlage Earwig and the Witch von der 2011 verstorbenen Autorin Diana Wynne Jones, die ihre Geschichte leider nicht beenden konnte. Damit ist auch das plötzliche, offene, wenn auch trotzdem schönen Ende, zu begründen. Dem Film schadet das aber kaum, da mich Aya und die Hexe gut unterhalten hat. Obwohl Aya etwas zu idealisiert ist und keine wirklichen Schwächen zu haben scheint, macht es viel Spaß, mit ihr das Haus der Hexe Bella und des gruseligen Mandrakus kennenzulernen und zu erleben, wie sie sich dort zurechtfindet. Sicher, ein wirklich großes Abenteuer wird nicht erzählt, aber das wirkt sich keineswegs negativ aus. Vielmehr ist es gerade diese Kurzweiligkeit, die Aya und die Hexe so angenehm macht. Mit nur wenigen Figuren, einer einfachen, aber liebenswerten Geschichte und lebendigen Figuren gelingt es dem Film von Anfang bis Ende, einfach nur zu unterhalten. Was anderes erwarte ich nicht und das Aya und die Hexe dabei auch noch ein wenig der Ghibli-Magie atmet und absolut charmant ist unterstreicht schließlich, wie gelungen Ayas kleines Abenteuer ist. Fans zauberhafter Familien- und Fantasyfilme können sich Aya und die Hexe bedenkenlos ansehen. Wer jedoch ein neues Studio-Ghibli-Meisterwerk erwartet, dürfte enttäuscht werden.

Kurzfazit: Charmanter und familienfreundlicher Fantasyfilm mit liebenswerter, wenn auch idealisierter Hauptfigur und schön erzählter, amüsanter und kurzweiliger Geschichte, die fast die bekannte Ghibli-Magie einfängt.

Vielen Dank an Leonine Anime für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Aya und die Hexe!

Details
Titel: Aya und die Hexe
Originaltitel: Aya no Majo
Genre: Fantasy
Regie: Goro Miyazaki
Studio: Studio Ghibli
Produktionsjahr: 2020
Laufzeit: ca. 82 Minuten (Blu-ray), ca. 79 Minuten (DVD)
Sprachen: Deutsch, Japanisch
Untertitel: Deutsch
Herkunftsland: Japan
Altersfreigabe: ab 12
Extras (DVD): Trailer und TV-Spots, Studio Ghibli Trailershow (ca. 15 Min.)
Extras (Blu-ray): Trailer und TV-Spots, Studio Ghibli Trailershow, Storyboards zum Film, Interviews mit den jap. Synchronsprecher:innen, Interviews zur Entstehung des Films mit Regisseur Goro Miyazaki, Produzent Toshio Suzuki, CG Supervisor Yukinori Nakamura, Animation Supervisor Tan Se Ri und Art Director Yuhki Takeuchi (ca. 143 Min.)
Erscheinungstermin: 24. September 2021
Herstellerseite: Aya und die Hexe bei Leonine Anime

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