Rezension: Boy’s Abyss – Band 1 (Manga)
Eine unerwartete Begegnung verändert in Boy’s Abyss Band 1 das trost- und perspektivlose Leben des Oberschülers Reiji.
Sich in Träumen beim Anschauen von Videos von Idols zu verlieren, ist einer der wenigen Lichtblicke im tristen Leben von Reiji. Der Oberschüler hofft nicht einmal, wie seine Mitschüler, jemals seine langweilige Heimatstadt verlassen zu können. An die Möglichkeit zu studieren, denkt er nicht, schließlich muss er Geld verdienen, um seine Mutter zu entlasten. Dabei setzen ihm seine pflegebedürftige Großmutter, sein fordernder, niemals sein Zimmer verlassender Bruder und sein Kindheitsfreund Gen, der ihn wie einen Sklaven ausnutzt, enorm zu. Reijis Leben ist trostlos und selbst seine Mitschülerin Chako, der einzigen Person mit der er gelegentlich etwas schöne Zeit verbringen kann, wird die Stadt irgendwann verlassen. Als Reiji eines Tages jedoch beim Einkauf eine besondere Frau trifft, bietet sich ihm ein endgültiger Weg, seinem hoffnungslosen Leben zu entkommen.
Düsteres Drama
Boy’s Abyss Band 1 verdeutlicht bereits auf der ersten Seite, dass die Geschichte von Mangaka Ryo Minenami nicht leicht zu verdauen ist. Alleine das direkt angesprochene Thema des Selbstmords, das in den folgenden Kapiteln immer präsenter wird, unterstreicht die melancholische und düstere Grundstimmung des Liebesdramas, das nicht im klassischen Sinn auf Romantik setzt. Vielmehr thematisiert Mangaka Ryo Minenami das perspektivlose Leben eines siebzehnjährigen Oberschülers, der sowohl unter seinen familiären Umständen als auch seinem einstigen Kindheitsfreund leidet. Reiji glaubt nicht daran, seine Heimatstadt jemals zu verlassen und im Laufe der Geschichte zeichnet sich sogar ab, dass seine Bindung an seinen Peiniger Gen noch enger wird, als ihm lieb ist. Gleichzeitig droht er einen der wenigen Lichtblicke in seinem Leben zu verlieren, da seine Kindheitsfreundin und Mitschülerin Chako nach der Oberschule umzieht, um zu studieren.
Wie erdrückend Reijis Alltag sein kann, zeigt sich bereits im ersten Kapitel. Hier präsentiert Mangaka Ryo Minenami glaubhaft und bodenständig, die belastenden Lebensumstände des Teenagers. Neben den eher ausgelassenen Interaktionen mit Chako, wird der Druck, den Gen ausübt, spürbar verdeutlicht. Außerdem rückt Reijis Familienleben inklusive pflegebedürftiger Großmutter, zurückgezogen lebendem, aggressivem Bruder und überforderter Mutter in den Mittelpunkt der Handlung. Erst als Reiji am Ende des ersten Kapitels überrascht feststellt, dass die neue Konbini-Verkäuferin das von Chako und ihm verehrte Idol Nagi Aoe ist, verändert sich etwas im Leben des Oberschülers. Allerdings sollte hier nicht mit einer typischen Romantik-Wendung gerechnet werden. Sicher, Reiji und Nagi kommen sich näher, ihre Beziehung spielt eine maßgebliche Rolle in der sich langsam entwickelnden Geschichte, doch zugleich bleibt das Drama bodenständig. Reijis neue Bekanntschaft bringt ihm keine plötzliche Befreiung, sondern neben einigen schönen Momenten auch neuen Schmerz und unerwartete Probleme.
Dabei bleibt das zu Beginn geschaffene Thema des Selbstmords stets präsent. Sei es in einer Unterhaltung zweier Passantinnen über einen besonderen Ort, an dem Liebende gemeinsam Suizid begehen oder eben in Nagis Sichtweise auf das Leben. Selbst die erotischen Momente sind nicht plakativ, sondern realistisch in die Geschichte eingebunden und dienen ausschließlich für den Handlungsaufbau und die Charakterentwicklung. Deshalb wird Boy’s Abyss Band 1 auch niemals wirklich unterhaltsam – zumindest nicht im klassischen Sinn. Die grundlegende Melancholie ist dafür zu bedrückend. Stets bleiben der düstere Eindruck und die bedrückende Stimmung erhalten. Gerade das zeichnet den Manga aber aus und verleiht der Geschichte ein deutliches Alleinstellungsmerkmal. Die schönen Zeichnungen, bei denen besonders die Gefühle der Charaktere wunderbar dargestellt werden, unterstreichen das zusätzlich. Allerdings funktioniert das Ende auch als absoluter Abschluss, weshalb sich noch zeigen muss, wie die Geschichte in der bisher fünf Bände umfassenden Reihe weitergeht.
Fazit
Boy’s Abyss Band 1 hat mich schnell mit den gefühlvollen, schönen und charakterbezogenen Zeichnungen für sich gewonnen. Die Handlung deutet bereits an, dass das Drama von Mangaka Ryo Minenami keineswegs fröhlich ist. Dennoch hat mich die stets präsente Melancholie etwas überrascht. Dabei wechselt die Stimmung von bedrückend über düster bis hin zu melancholisch, weshalb es leicht fällt, mit den Charaktere mitzufühlen. Besonders Reiji ist eine bedauernswerte Hauptfigur, dessen perspektiv- und trostloses Leben den Grundstein für Boy’s Abyss darstellt. Doch auch Nagi trägt viel zur Atmosphäre und Geschichte des Mangas bei, während Chako, Gen, Reijis Mutter und andere Nebenfiguren gelungene Ergänzungen sind, die verschiedene Aspekte von Reijis Alltag zeigen und verdeutlichen, weshalb er so leidet. Leichte Kost ist Boy’s Abyss nicht, dessen sollte sich jeder vor dem Lesen bewusst sein. Die glaubhafte, bodenständige und realistische Geschichte kann unter die Haut gehen und gerade das zentrale Thema des Selbstmords unterstreicht die bedrückend-melancholische Grundstimmung. Wer sich darauf einlässt, erhält einen durchaus mitreißenden, aber auch bedrückenden Drama-Manga.
Kurzfazit: Melancholisches Liebesdrama das mit einer realistisch erzählten Geschichte, glaubhaften Charaktere, ernsten Themen und düsterer Grundstimmung aus der Masse hervorsticht.
Vielen Dank an altraverse für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Boy’s Abyss – Band 1!
Details
Titel: Boy’s Abyss – Band 1
Genre: Drama, Slice of Life, Coming of Age, Romantik, Erotik
Verlag: altraverse
Mangaka: Ryo Minenami
Seiten: 208
Preis: 7,00 €
ISBN: 978-3-96358-788-7
Verlagsseite: Boy’s Abyss – Band 1 bei altraverse
Erscheinungsdatum: 20. August 2021
© Ryo Minenami / Shueisha Inc. / Altraverse GmbH