Rezension: Sonnenstein – Band 2 (Comic)
Stjepan Sejics BDSM-Liebesgeschichte geht in die nächste Runde. In Sonnenstein Band zwei vergrößert sich nicht nur die Charakterriege, sondern auch Allys Vergangenheit spielt eine wichtige Rolle.
Lisa und Ally haben ein erstes, sehr intensives Wochenende voller BDSM-Spielen und anderer Aktivitäten hinter sich. Neben der daraus entstandenen intensiven sexuellen Beziehung der beiden Frauen, sind sie sich auch als Freundinnen näher gekommen. Deshalb treffen sie sich am nächsten Wochenende erneut, auch wenn ihre eigentlichen Pläne durch ungeeignete Umstände verworfen werden müssen. Durch Alan lernen Lisa und Ally zudem die Geschwister Chris und Cassie sowie deren Ehemann Tom kennen. Während Chris lediglich durch seine Arbeit mit Alan in der BDSM-Szene aktiv ist, besuchen Cassie und Tom seit einiger Zeit regelmäßig den Club Crimson. Obwohl Ally nicht dorthin will, fügt sie sich dem Bitten und Betteln von Lisa. Doch der Besuch läuft durch Ereignisse aus Allys Vergangenheit anders ab, als erwartet.
Perfekter Rahmen
Wie schon beim Auftakt beinhaltet Sonnenstein Band 2 das komplette überarbeitete und erweiterte zweite Kapitel des Webcomics von Stjepan Sejic. Dabei fügen sich die Änderungen so gut ein, dass erneut nur bei direkten Vergleichen der Unterschied auffällt. Insbesondere die Zeichnungen wurden angepasst und erscheinen realistischer und detaillierter als bei der ursprünglichen Veröffentlichung. Dadurch kommt der einzigartige Stil von Stjepan Sejic erneut hervorragend zur Geltung, was besonders für die immer wieder eingesetzten aufwendigen Artworks gilt, die bestimmte Szenen hervorheben sollen. Sejic ist ein Ausnahmezeichner und beweist mit Sonnenstein Band 2 wieder einmal sein enormes Talent, das in der edlen Hardcover-Aufmachung perfekt zur Geltung kommt.
Doch auch als Autor brilliert der Schöpfer der Reihe weiterhin. Die Geschichte von Lisa und Ally wird interessant, bewegend, traurig und lustig weitererzählt. Sejic schafft es das Leben seiner Figuren so realistisch darzustellen, dass es niemals unglaubwürdig wirkt. Jederzeit hat man das Gefühl tatsächlich existierende Menschen auf ihrem Weg zu begleiten. Dazu tragen auch die zahlreichen Anmerkungen von Lisa zur Geschichte bei. Diese schreibt in der gelegentlich aufkommenden Rahmengeschichte ihre Erlebnisse mit Ally und wie sich alles entwickelt hat als Buch auf. Das sorgt dafür, dass die Protagonistin rückblickend auf die Ereignisse eingehen kann, wodurch gelegentlich eine gewisse Bitternis, Humor oder auch vage Andeutungen an die Zukunft mit eingebaut werden.
Fesselnde Erotik
Schon durch die Grundthematik von Sonnenstein spielen Sex und insbesondere BDSM sowie Fetische eine wichtige Rolle in der Geschichte. So ist Lisa sexuell ganz klar devot und hat sich in der Vergangenheit des Öfteren an Self-Bondage versucht. Mit Ally als dominanter Figur in der Beziehung entsteht eine – bereits im ersten Band auffällige – perfekte Dynamik zwischen den beiden Frauen. Dabei wird BDSM niemals klischeebehaftet oder plump dargestellt, sondern erhält jederzeit die nötige Glaubhaftigkeit, die ein solches Thema verdient. Interessant ist in Band 2 die Einführung weiterer Charaktere, die ähnliche Vorlieben wie die Protagonistinnen haben. Allgemein taucht der Leser gemeinsam mit Lisa tiefer in die BDSM-Szene ein und zugleich lernt man die Figuren besser kennen. Hierbei verwendet Sejic gerne die Metapher der Masken, die wir alle im Leben tragen, um uns selbst zu schützen. Ein überaus passender Vergleich, der gleich mehrfach auf das Verstellen der eigenen Persönlichkeit und Verbergen von Wünschen und Sehnsüchten gegenüber dem eigenen Umfeld angewendet wird. Insbesondere auf Freunde, die einen verurteilen würden, wenn sie die Wahrheit wüssten.
Durch die neu eingeführten Figuren, erhält Sonnenstein nicht nur mehr Abwechslung in der Charakterriege, sondern auch neue Möglichkeiten. Zudem wird das Leben von Lisa und Ally glaubhafter. Sie erhalten Freunde und Bekannte mit denen sie interagieren. Auch wenn das vorerst noch in einem etwas kleineren Rahmen abläuft, wird schnell klar, dass zukünftige Bände die vorhandenen Möglichkeiten besser nutzen dürften. Besonders gelungen ist dabei die Einhaltung der glaubhaften Figuren. Selbst der nur vergleichsweise kurz auftretende Chris wird auf eine Weise dargestellt, dass man sich gut vorstellen kann, einem solchen Menschen wirklich begegnen zu können, sofern man nicht bereits jemanden ähnlichen kennt. Hierfür gebührt Stjepan Sejic großes Lob, da Sonnenstein im Gesamten davon profitiert.
Prägende Vergangenheit
Die Konzentration von Band 2 liegt allerdings zu großen Teilen auf Allys Vergangenheit, die auch bei Lisas erstem Besuch im BDSM-Club Crimson eine Rolle spielt. So erfährt der Leser mehr über das Kennenlernen von Ally und Alan, wodurch noch klarer wird, weshalb die beiden sich so gut verstehen. Doch auch dunkle Ereignisse der gemeinsamen Vergangenheit werden aufgegriffen. Alan erhält mehr Tiefe und auch Ally erscheint teilweise facettenreicher. Es zeigen sich einfach neue Seiten von ihr und gemeinsam mit Lisa lernt der Leser die dominante Frau besser kennen. Interessant ist zudem, dass es Stjepan Sejic hervorragend gelungen ist die Gefahren von BDSM und Bondage im Besonderen in die Geschichte einzufügen. Hier weist er, ohne mahnend zu werden, daraufhin, wie wichtig es ist Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Immer wieder wird auch die Bedeutung von Vertrauen aufgegriffen.
Trotz oder gerade wegen der Einblicke in Allys Vergangenheit wird zudem die Beziehung der beiden Protagonistinnen weiter vorangetrieben. Im Grunde lässt es sich bei Lisa und Ally als tiefe Freundschaft mit BDSM-Zusätzen beschreiben. Doch schon im ersten Band waren romantische Anspielungen vorhanden, die noch weiter vertieft werden und zeitweise bereits erahnen lassen, dass die Beziehung von Ally und Lisa noch kompliziert werden dürfte. Allerdings ist es auch diese Liebesgeschichte, die einen besonderen Reiz von Sonnenstein ausmacht. Sie trägt stark dazu bei, dass der Comic mehr ist als der Blick in das Leben zweier BDSM-Liebhaberinnen. Auch wenn gewisse Entwicklungen durch die Rahmengeschichte bereits vorweg genommen werden, ist der Weg zu diesem Punkt um so interessanter. Man möchte einfach wissen, was Lisa, Ally und all die anderen noch erleben und gleichzeitig zusammen mit ihnen in die Welt des BDSM abtauchen.
Fazit
Sonnenstein Band 2 ist mindestens so faszinierend wie der Auftakt von Stjepan Sejics Reihe und begeistert erneut durch ein exzellentes Artwork sowie eine glaubhafte Geschichte mit lebendig wirkenden Charakteren. Sejic gelingt es das BDSM-Thema in eine interessante, spannende, bewegende und amüsante Slice-of-Life-Liebesgeschichte einzufügen. Jederzeit hat man das Gefühl, dass Lisa, Ally, Alan und die perfekt vorgestellten neuen Figuren tatsächlich existieren könnten. Gleichzeitig umschifft der Autor und Zeichner Klischees und plumpe Darstellungen beim zu grundlegenden Fetisch-Thema. Sonnenstein ist auch mit dem zweiten Band ein absoluter Ausnahmecomic, der von der ersten bis zur letzten Seite fesselt.
Kurzfazit: Gefühlvoll, hocherotisch, intensiv. Sonnenstein fasziniert auch in Band 2 mit einer exzellent geschriebenen und gezeichneten SM-Liebesgeschichte, die glaubhaft mit der Thematik umgeht und niemals plump erscheint.
Vielen Dank an Panini für die freundliche Bereitstellung eines Rezensionsexemplars von Sonnenstein – Band 2!
Lesetipp: Rezension von Sonnenstein – Band 1 (Comic)
Details
Titel: Sonnenstein – Band 2
Genre: Erotik, Slice-of-Life
Verlag: Panini
Autor & Zeichner: Stjepan Sejic
Seiten: 132
Preis: 24,99 €
ISBN: 978-3-95798-702-0
Verlagsseite: Sonnenstein – Band 2 bei Panini Comics
Erscheinungsdatum: 24. Mai 2016