Rezension: Hinges – Band 1: Uhrwerk Stadt (Comic)
Mitte November veröffentlichte Popcom das ursprünglich als Webcomic erschienene Hinges Buch 1: Uhrwerk Stadt von Meredith McClaren und zeigt erneut ein Händchen für besondere Stoffe.
Ohne zu wissen wer oder wo sie ist, erwacht die junge Porzellan-Puppe Orio. Ihren Namen erfährt sie durch eine Gravur auf einer Taschenuhr, die ihr einziger Besitz zu sein scheint. Schnell taucht die strenge Beamtin Margo auf und eröffnet Orio, dass sie nun als Bürgerin in Cobble lebt. Nachdem Orio Kleidung erhalten hat, muss sie sich einen Kauz aussuchen. Jene Wesen begleiten alle Einwohner der Stadt und stellen so etwas wie Gefährten und Haustiere dar. Die Besonderheit an Cobble: Alle Bewohner sind Puppen, Marionetten und dergleichen, während die Kauze lebende Stofftiere sind. Schließlich begegnet Orio ihrer Einweiserin und damit auch Mitbewohnerin Alluet, die ihr helfen soll sich einzuleben und einen Beruf zu finden. Doch letzteres gestaltet sich durch das chaotische Verhalten von Orios Kauz Bauble, der sie erwählt hat und nicht sie ihn, als äußerst schwierig.
Stadt der Puppen
Hinges ist ein einzigartiger Comic. Das fällt schon beim reduzierten Zeichenstil auf. Besonders die Figuren sind gut getroffen und erzeugen durch ihre ausdrucksstarke Art und die gelungene Mimik ein perfektes Gefühl für die Emotionen. Dazu entsteht durch die tolle Farbgebung eine schöne Atmosphäre, die zur ruhigen Art der Geschichte passt. Doch nicht nur in zeichnerischer Hinsicht geht Hinges eigene Wege. Auch beim Text unterscheidet sich der ursprüngliche Webcomic von vielen anderen Werken. Auf erklärende Texte wird komplett verzichtet und Dialoge sind spärlich gesät. Das liegt auch daran, dass Orio selbst stumm ist, was in einer Szene in der zweiten Hälfte des Bandes auch erstklassig vermittelt wird.
Gerade deshalb ist bei der Protagonistin von Hinges die Gestaltung der Figur besonders wichtig. Wie bereits erwähnt, ist es Zeichnerin und Autorin Meredith McClaren gelungen eine ausdrucksstarke Mimik zu erzeugen. Das gilt im besonderen für Orio, die mit einem einfachen Blick mehr ausdrücken kann als mit Worten. Doch gerade dieser Verzicht auf viel Text macht Hinges zu keinem leichten Comic. Es ist erforderlich sich auf die Bilder einzulassen. Häufig wird über mehrere Seiten komplett auf Texte und Dialoge verzichtet, weshalb ausschließlich die Zeichnungen im Mittelpunkt stehen.
Kern von Hinges sind Orios Einleben in Cobble, die Jobsuche sowie ihre Beziehung zu ihrem etwas eigenartigen Kauz Bauble. Das chaotische Wesen sorgt immer wieder dafür, dass Orio Probleme bekommt und selbst Alluet weiß als Einweiserin nicht so recht, was sie von Bauble halten soll. Doch es ist das hinreißende Verhältnis zwischen Orio und Bauble, das eine der größten Stärken von Hinges ist. Die Art wie sie sich langsam aneinander gewöhnen, ist toll umgesetzt und zieht sich durch den gesamten Comic. Bereits früh wird deutlich, dass hinter Bauble mehr stecken muss, als bisher bekannt ist. Highlight ist ganz klar, die Art wie Orio und Bauble schließlich füreinander einstehen, wenn es erforderlich ist.
Doch die Geschichte von Hinges ist mehr als einfach nur eine liebevolle, etwas seichte Erzählung über die Freundschaft zwischen Orio und Bauble. Die Handlung erzählt von einer jungen Puppe, die sich in einer ihr fremden Gesellschaft zurecht finden muss und Schwierigkeiten hat sich in die Erwartungen einzufügen, die an sie gestellt werden. Gleichzeitig versucht sie ihren eigenen Weg zu gehen und ihre persönlichen Wünsche zu erfüllen, auch gegen bestehende Traditionen und Regeln. Es sind ganz klar Gemeinsamkeiten zu unserer Gesellschaft und den Anforderungen an junge Menschen zu erkennen.
Fazit
Hinges Buch 1: Uhrwerk Stadt verdient die Bezeichnung als Ausnahmecomic. Gerade die Zeichnungen sind ein visueller Hochgenuss. Obwohl sie eher einfach gehalten sind, können die Bilder von Meredith McClaren durch die atmosphärische Farbgebung und die ausdrucksstarken Charaktere überzeugen. Durch den spärlichen Einsatz von Texten und Dialogen, liegt die Konzentration häufig nur auf den Zeichnungen, die das Geschehen gut vermitteln. Dabei ist allerdings ein wenig Aufmerksamkeit nötig, um wirklich alles zu erfassen und manchmal muss man sich einer Seite auch etwas länger widmen. Das stört aber keineswegs, da der Unterhaltungswert nicht darunter leidet. Die Handlung weist zudem einige interessante Themen wie Freundschaft, festgelegte Traditionen und das Ausbrechen aus diesen sowie die eigene Rolle in der Gesellschaft auf. Damit gelingt es an den Band zu fesseln und die Neugier auf die hoffentlich bald folgende Fortsetzung zu wecken.
Kurzfazit: Ausnahmecomic dank einfachem, atmosphärischem Zeichenstil, ausdrucksstarken, liebenswerten Charakteren und einer schönen Geschichte.
Details
Titel: Hinges – Band 1: Uhrwerk Stadt
Genre: Fantasy
Verlag: Popcom (Tokyopop)
Autor/Zeichner: Meredith McClaren
Seiten: 116
Preis: 14,00 €
ISBN: 978-3-8420-1960-7
Verlagsseite: Hinges – Band 1: Uhrwerk Stadt bei Popcom (Tokyopop)
Erscheinungsdatum: 10. August 2015
Bilder Copyright Popcom (Tokyopop)