Rezension: Fairy Quest – Band 1: Gesetzlose (Comic)

fairy-quest-band-1-coverFairy Quest Band 1: Gesetzlose erzählt von einer ungewöhnlichen Freundschaft in einer unterdrückten Märchenwelt. Dabei bietet der Comic Crossover verschiedener bekannter Erzählungen.

Totalitäre Märchen

Im Märchenwald leben die bekannten Figuren aus Geschichten wie Aschenputtel, Rotkäppchen oder Hänsel und Gretel und führen tagtäglich ihr Märchen auf. Dabei müssen sie sich strickt an das vorgegebene Drehbuch halten. Abweichungen werden geahndet und bestraft. Überwacht werden die Erzählungen von der Gedankenpolizei und dem grimmigen Herr Grimm, Herrscher über den Märchenwald. Doch nicht alle Märchenfiguren sind mit ihrem Leben einverstanden. Unter ihnen ist Rotkäppchen, Protagonistin einer der wichtigsten Geschichten. Sie hat sich mit „Herr Wuff“ angefreundet, der besser bekannt ist als der große, böse Wolf. Viel lieber würde sie in Freundschaft mit ihm die Tage verbringen, als immer wieder innerhalb der Geschichte als Gegner auf ihn zu treffen. Eines Tages erzwingt das Schicksal die Flucht der Beiden, da ihr abweichlerisches Verhalten entdeckt wurde.

Schon die Art wie Herr Grimm und die Gedankenpolizei dargestellt werden, erinnert an ein totalitäres Regime, das die Bevölkerung unterdrückt und ihnen die eigene Ordnung aufdrückt. Grimm ist davon besessen, dass nur durch die Einhaltung der Geschichten das Chaos und damit die Anarchie verhindert werden kann. Das treibt all jene Märchenfiguren, die mit ihrem Leben unzufrieden sind, zu heimlichen nächtlichen Treffen. Während diesen, reden sie wie in einer Selbsthilfegruppe über ihre Schwierigkeiten mit ihren Geschichten. Egal ob nun „Die alte Frau, die in einem Schuh lebte“, Aschenputtel oder eben Rotkäppchen, jede von ihnen ist mit dem immer wieder erneuten Erzählen der Geschichten unzufrieden. Welche Folgen es haben kann, sich gegen die Ordnung von Herr Grimm zu stellen, zeigt sich aber auch. Denn all jenen, die als Abweichler enttarnt werden, droht die aufgezwungene Rehabilitierung durch den Gedankenradierer.

Freiheitsbotschaft

Neben der klar gezeigten Unterdrückung durch einen Ordnungssüchtigen Herren, ist Fairy Quest auch eine klare Botschaft für die Freiheit. Sowohl des eigenen Lebens, als auch der, aus gewohnten Erzählmustern auszubrechen. Vielleicht ist es gerade deshalb noch einmal bezeichnender, dass Autor Paul Jenkins und Zeichner Humberto Ramos Fairy Quest über Kickstarter finanziert haben und sich somit dem eventuellen Eingreifen großer Redaktionen entzogen haben. Beide haben Erfahrung mit so etwas, schließlich waren Jenkins und Ramos bereits für DC und Marvel tätig.

Mag der eher bunte und cartoonartige Stil von Ramos auf den ersten Blick nicht völlig zur eher düsteren Thematik passen, so unterstreichen die niedlichen und freundlichen Zeichnungen die heile Märchenwelt um so deutlicher. Doch auch die emotionale und düstere Seite weiß Ramos umzusetzen. Spätestens mit seiner Version von Peter Pans ewigem Widersacher Hook zeigt der Zeichner, welch finsteren Abgründe sich hinter der heilen Kulisse der bunten Märchenwelt verbergen. Zusätzlich bieten die Zeichnungen teilweise einen schönen Kontrast zur Handlung selbst. Besonders wenn die Gedankenpolizei und der eher kleingewachsene Herr Grimm ihren Auftritt haben und sich die Angst der Märchenfiguren zeigt. Allgemein sind diese Blicke in die Abgründe der Märchenwelt die wahren Höhepunkte von Fairy Quest.

Fazit

Fairy Quest beweist bereits mit dem vorliegenden ersten Band „Gesetzlose“ ein höchst Maß an Qualität. Die spannende Geschichte bringt die Märchen in einem gelungenen Crossover zusammen und zeigt die Tiefen der vermeintlich heilen Welt von Herr Grimm. Dass gerade Rotkäppchen und der große böse Wolf beste Freunde sind, ist ein Zeichen dafür, dass wahre Freundschaft auch unter widrigen Umständen entstehen kann. Allgemein beinhaltet Fairy Quest die klare Botschaft, dass nicht immer alles so ist wie es scheint – und nicht immer jene die Bösen sind, von denen wir es vielleicht annehmen. Dazu kommt das Plädoyer für das Ausbrechen aus bekannten Erzählstrukturen und für die Freiheit der eigenen Entscheidungen. Unterstrichen wird das alles von Humberto Ramos erstklassigen Zeichnungen, denen es sowohl gelingt die fabelhafte Märchenwelt, als auch die düsteren Abgründe von dieser perfekt darzustellen. Damit ist Fairy Quest Band 1: Gesetzlose ein Ausnahmeband. Leider kommt das offene Ende ziemlich schnell. Bleibt zu hoffen, dass Popcom den auf Kickstarter ebenfalls erfolgreichen zweiten Band möglichst bald veröffentlicht.

Kurzfazit: Spannender Ausnahmetitel, der gerade durch die Märchen-Crossover-Geschichte und den Cartoonstil, der auch die düsteren Abgründe perfekt einfängt, überzeugen kann.

Details
Titel: Fairy Quest – Band 1: Gesetzlose
Genre: Fantasy
Verlag: Popcom (Tokyopop)
Autor: Paul Jenkins
Zeichner: Humberto Ramos
Farben & Design: Leonardo Olea
Seiten: 64
Preis: 14,00 €
ISBN: 978-3-8420-1807-5
Verlagsseite: Fairy Quest – Band 1: Gesetzlose bei Popcom (Tokyopop)
Erscheinungsdatum: 10. August 2015

Bilder Copyright Popcom (Tokyopop)