Kolumne: Grafik-Downgrade
Seit Dienstag ist The Witcher 3: Wild Hunt erhältlich. Neben zahlreichen Top-Wertungen und viel Lob für das Rollenspiel von CD Projekt, reißt auch die Diskussion um Grafik-Downgrade nicht ab.
Grafik-Downgrade. Kaum ein Begriff hat sich in den letzten Jahren mehr in der Gamingbranche etabliert. Der Vorwurf an Publisher und Entwickler ihre Spiele in Trailern und auf Screenshot grafisch schöner und aufwendiger erscheinen zu lassen, als im späteren Endprodukt, hat schon einige Titel getroffen. Prominente Beispiele sind Watch Dogs und Aliens: Colonial Marines, aber in Teilen auch Assassin’s Creed: Unity, das aber eher durch die Bugdichte Schlagzeilen machte. Nun trifft der Grafik-Downgrade-Vorwurf also auch The Witcher 3: Wild Hunt. Bereits vor der Veröffentlichung des Rollenspiels, wurden erste Stimmen laut, die neueren Trailer und Screenshots sehen nicht mehr so gut aus, wie in der Vergangenheit gezeigtes Material des Spiels. Besonders auf einen Trailer des Jahres 2013 beziehen sich viele Spieler.
Die Entwickler haben mittlerweile im Interview mit Eurogamer ein Statement zur Diskussion abgegeben. Demnach wurde im Lauf der Entwicklung die Programmier-Software gewechselt. Grund dafür sei eine nicht beständige Framerate und allgemeine Einbußen bei der Performance. Die später verwendete Software sicherte hier Besserung, allerdings mussten die Entwickler ein paar Kompromisse bei den Effekten eingehen. Soweit verständlich und an sich auch gut, immerhin ist ein flüssig laufendes Spiel deutlich wichtiger, als die absolute Top-Grafik. So sollte es zumindest sein.
Aber stellen wir an dieser Stelle eine Frage: Ist der Grafik-Downgrade-Vorwurf gerechtfertigt? Aus meiner Sicht ganz klar nein. The Witcher 3 sieht fantastisch aus. Ich spiele es am PC mit Einstellungen zwischen Hoch und Ultra und bin von der Optik immer wieder begeistert. Es mag nicht so aussehen wie in einigen älteren Trailern, doch noch immer ist The Witcher 3 das bis heute schönste Rollenspiel, das ich jemals gesehen habe. Ein Grund für die Grafik-Downgrade-Diskussion dürfte in der bei Präsentationen lange Zeit zu starken Konzentration der Entwickler auf den optischen Aspekt des Spiels begründet liegen. Dennoch bleibe ich dabei, dass meiner Meinung nach der Vorwurf nicht gerechtfertigt ist.
Anders als bei Watch Dogs oder insbesondere Aliens: Colonial Marines entspricht das Endprodukt noch immer in weiten Teilen dem, was einst versprochen wurde. Zwar ist auch Watch Dogs kein hässliches Spiel, doch gerade im Vergleich mit dem ersten Trailer sind die Unterschiede doch enorm deutlich und es ist mehr als fraglich, ob das Spiel jemals so auf einem normalen PC oder einer Konsole gelaufen ist. Bei Aliens: Colonial Marines hingegen ist der Verdacht der Käufertäuschung unter Umständen sogar berechtigt. Immer wieder hat Gearbox den Shooter mit opulenter Grafik gezeigt – auch angebliches Gameplay-Material während Pressevorführungen. Was am Ende aber herauskam, sah nicht einmal Ansatzweise so gut aus.
Doch weshalb kommt es überhaupt immer wieder zu Grafik-Downgrade-Diskussionen? Dafür gibt es sicherlich mehrere Gründe. Zum einen müssen Entwickler und Publisher bei heutigen Ankündigungen und Präsentationen – gerade auf Messen wie der E3 – irgendwie die Aufmerksamkeit von Presse und Spielern erregen. Das geht natürlich durch überzeugendes Gameplay oder auch ein interessantes Konzept, doch letztlich sind solche Veranstaltungen, die ein großer Teil der Spielerschaft per Live-Stream oder als Aufzeichnungen von zu Hause verfolgt, stark auf die Optik beschränkt. Dazu kommt das zeitlich Problem. Kaum einem Spiel wird so viel Zeit während den Pressekonferenzen und anderen Präsentationsrunden eingeräumt, dass die wichtigen spielerischen Aspekte so deutlich gezeigt werden könnten, um am Ende auch überzeugend genug zu wirken. Wenn für ein Spiel nur ein paar Minuten bleiben, ist die Grafik eben das einfachste, um schnell und relativ simpel Aufmerksamkeit zu erzielen. Dazu kommt, dass viele Spiele bei solchen Vorstellungen noch nicht fertig und eventuell noch Anpassungen an andere Systeme nötig sind, die wiederum Einfluss auf alle Versionen haben.
Aber auch die Spieler selbst sind nicht unschuldig. Oft sind die Erwartungen an die aktuellen Systeme – und die Konsolen geben heutzutage einfach den Ton an, auch weil nicht jeder Spieler einen High-End-PC zu Hause stehen hat – einfach zu hoch. Playstation 4 und Xbox One stecken noch in den Kinderschuhen und die wirkliche Leistung beider Konsolen liegt noch im Verborgenen. Der große grafische Sprung, den sich viele von der neuen Konsolengeneration erwartet haben blieb zumindest in Grenzen. Das ist nicht jedem Spieler recht. Wir sind aber häufig auch zu leichtgläubig. Mittlerweile müsste klar sein, dass viele Spiele am Ende nicht so gut aussehen wie auf Messen wie der E3. Das mag eine gewisse Enttäuschung mit sich bringen und auch Unverständnis, weshalb die Entwickler die Spiele nicht so zeigen, wie sie wirklich zum Zeitpunkt der Präsentation aussehen, aber wie oben bereits erwähnt, sind die Gründe dafür umfangreich. Nicht jedem Entwickler kann man außerdem vorwerfen, er wolle die Kunden täuschen. Manchmal steht der Vision der Entwickler – die wir in ersten Trailern und auf Messen zu Gesicht bekommen – einfach die Realität des Machbaren im Weg. Das ist schade, aber letztlich ist manchmal einfach nicht alles möglich.
Ich hoffe meine Meinung zu dem Thema ist deutlich geworden. Grafik-Downgrades sind sicher eine ärgerliche Sache, werden aber manchmal auch etwas zu hochgespielt. Das liegt oft natürlich auch daran, dass die unzufriedenen Spieler sicher massiv äußern, während alle die zufrieden sind einfach spielen. So halte ich es selbst auch meistens. Es ist anzuzweifeln, dass es zukünftig keine weiteren Diskussionen um Grafik-Downgrades geben wird. Eigentlich ist es sogar sicher, dass es dazu kommen wird, da sich an der aktuellen Situation so schnell nichts ändert. Negativ sind diese Diskussionen auch nicht zu sehen, vielleicht sind sie sogar wichtig, um den Entwicklern deutlich zu machen, dass wir Spieler uns nicht mit allem zufrieden geben und uns auch äußern, wenn uns etwas nicht passt. Doch übertreiben sollten wir es nicht. Im Fall von The Witcher 3: Wild Hunt kann ich die Diskussion nicht nachvollziehen, da das Rollenspiel trotz einer eventuell etwas schlechteren Grafik, noch immer fantastisch aussieht und gerade durch den eigentlich wichtigeren Aspekt überzeugen kann: Den Spielspaß.