Rezension: Der Mohnblumenberg
Überraschend hatte ich diese Woche die Gelegenheit Der Mohnblumenberg, den neuen Film von Studio Ghibli, und damit meinen ersten Anime überhaupt, im Kino zu sehen. In vielen Städten läuft das zweite Werk von Gorō Miyazaki erst gar nicht, weshalb ich froh war, dass der Film in meiner Nähe lief. Als Vorlage für Der Mohnblumenberg diente der Manga Kokurikozaka kara des Autors Tetsurō Sayama und der Zeichnerin Chizuru Takahashi der von 1979 bis 1980 in Japan erschienen ist.
Eine Momentaufnahme
Die Geschichte von Der Mohnblumenberg ist in den 1960er Jahren angesiedelt und erzählt von Umi Matsuzaki und Shun Kazama. Umi lebt mit ihrer Familie und einigen Mitbewohnern im Haus der Familie auf dem namensgebenden Berg am Meer. Jeden Morgen hisst sie Signalflaggen in der Hoffnung, dass ihr, während des Korea-Kriegs verschollener Vater, doch noch nach Hause kommt. Eines Tages lernt sie den Chef des Zeitungsklubs ihrer Schule, Shun Kazama, kennen und wird durch diese neue Bekanntschaft in den Kampf um den Erhalt des Clubhauses hineingezogen. Gleichzeitig kommen Umi und Shun sich näher.
Im Gegensatz zu vielen anderen Filmen von Studio Ghibli verzichtet Der Mohnblumenberg vollständig auf phantastische Elemente wie mythologische Figuren, sprechende Tiere oder magische Fähigkeiten. Es wird einfach nur die Geschichte von zwei Jugendlichen erzählt. Das Ganze lässt sich am besten als Momentaufnahme aus dem Leben von Umi und Shun bezeichnen. Auch Actionszenen oder ein allzu großer Spannungsbogen erwarten euch im neuen Film von Gorō Miyazaki nicht. Im Grunde lässt sich sagen, die Geschichte plätschert vor sich hin, wobei dies nicht negativ gemeint ist. Der Mohnblumenberg ist einfach ein ruhiger, gemächlicher Film, der trotz allem gut unterhält. Wer nun denkt bei Der Mohnblumenberg handelt es sich um einen typischen Liebesfilm, liegt falsch. Zwar steht die Geschichte um Umi und Shun in gewisser Weise im Mittelpunkt, aber schnulzig wird der Film dabei nicht.
Die Grundstimmung von Der Mohnblumenberg ist recht japanisch, was natürlich logisch ist, dem Film aber auch ausgesprochen gut tut. Insgesamt passt die Atmosphäre ausgesprochen gut. Es bleibt immer ruhig, es gibt aber auch etwas traurigere und lustigere Momente. Wie im echten Leben eben. Damit gelingt es dem Film glaubhaft eine Momentaufnahme aus dem Leben zu vermitteln. Vergleichbar ist Der Mohnblumenberg hierbei mit Flüstern des Meeres. Der ebenfalls von Studio Ghibli stammende Film von 1993 erzählt die Geschichte von der Beziehung von drei Schüler und verzichtete dabei genauso auf jegliche Action und phantastische Elemente.
Gewohnte Ghibli-Qualität
In Sachen Zeichnungen und Musik erwartet euch die gewohnte Qualität von Studio Ghibli. Schon in den ersten Szenen ist zu erkennen, dass ein talentiertes Team an dem Film gearbeitet hat und die Charaktere haben den üblichen Wiedererkennungswert den alle Ghibli-Filme kennzeichnen. Die Figuren haben ihre Eigenarten – sowohl zeichnerisch als auch in ihrem Verhalten – und sind dadurch glaubhaft und lassen sich leicht erkennen. Dazu trägt auch die gelungene deutsche Synchronisation bei. Jeder Charakter ist gut und mit einer passenden Stimme vertont, wobei sich keiner der Sprecher einen groben Fehler erlaubt, hölzern wirkt oder dergleichen. Die Vertonung passt einfach wirklich ausgesprochen gut.
Ähnliches gilt auch für die musikalische Untermalung von Der Mohnblumenberg. Die ruhigen Stücke vermitteln immer das richtige Gefühl und unterstreichen die sowieso schon gelungene Atmosphäre des Films nahezu perfekt. Das gilt auch für die immer wieder eingestreuten Lieder mit Gesang, die wirklich ausgesprochen gut zum Film passen, auch wenn sie sich mit Sicherheit nicht jeder zu Hause anhören würde. Schön ist auch, dass Universum Film darauf verzichtet hat die Lieder im Deutschen neu einsingen zu lassen. Ihr bekommt die japanischen Originalversionen mit Untertiteln präsentiert.
Fazit
Der Mohnblumenberg ist ganz sicher kein Film für jeden. Wer Action oder phantastische Elemente in einem Anime braucht ist beim neuen Werk von Studio Ghibli gänzlich falsch. Lässt man sich aber auf den Film ein und kann mit der ruhigen Grundstimmung und der Geschichte um Umi und Shun etwas anfangen, erwarten einen unterhaltsame ca. 92 Minuten. Mir persönlich hat der neue Film von Gorō Miyazaki wirklich gut gefallen. Es war wieder einmal etwas anderes und durch die Grundstimmung wird man einfach in die Geschichte hineingezogen. Trotzdem ist Der Mohnblumenberg ein Spartenfilm unter den Animes. Empfehlen kann ich ihn trotzdem jedem, der mit dieser Art Film etwas anfangen kann. Ob Kinder wirklich etwas mit dem Film anfangen können, kann ich nur bedingt beurteilen. Jedoch dürften sie nicht alle Details der Geschichte verstehen und auch einige Fakten werden nur angerissen und setzen unter Umständen ein paar Kenntnisse bereits voraus. Um Spaß mit Der Mohnblumenberg zu haben sind diese allerdings nicht erforderlich.
Wertung folgt
Details
Titel: Der Mohnblumenberg
Genre: Anime, Familie, Drama
Regie: Gorō Miyazaki
Sprecher: Laura Maire, Tim Schwarzmaier, Paulina Rümmelein, David Turba
Musik: Satoshi Takebe
Drehbuch: Hayao Miyazaki, Keiko Niwa
Produktionsjahr: 2011
Herkunftsland: Japan
Altersfreigabe: FSK 0
Text Copyright 2013 Alexander Geisler
Bilder Copyright Studio Ghibli / Universum Film
Ein sehr schön und sehr gut geschriebens Review. Da der Film nicht in meiner Nähe läuft und die japanische Fassung wohl keine deutschen Untertitel hat, muss ich wohl darauf warten, dass der Film hierzulande auf Blu-ray erscheint. Weißt du, für wann eine Veröffentlichung in Deutschland angesetzt ist?
Leider nein. Es hängt zum Teil auch von der japanischen Veröffentlichung ab. Zumindest soweit ich weiß, kamen Ghbili-Blu-rays bei uns immer erst, nachdem sie auch in Japan erhältlich waren. Dürfte bei einem neuen Film aber eigentlich nicht zu lange dauern.
Wenn man mal nachsieht wie es bei Ponyo war, kann man zumindest schätzen wie lange es dauert. Damals lag etwa ein halbes Jahr zwischen Kinostart und Blu-ray-/DVD-Veröffentlichung. Wenn das diesmal wieder so ist, würde ich beim Mohnblumenberg auf Mai tippen. Könnte aber natürlich auch schon früher der Fall sein.